Rheinland-Pfalz Kommentar: Warum der BASF-Prozess trotz milder Strafe wichtig war

Bestand auf einem großen Prozess: Ankläger Dieter Zehe (links) mit den Opfer-Anwälten Alexander Klein (Mitte) und Jan Schabbeck
Bestand auf einem großen Prozess: Ankläger Dieter Zehe (links) mit den Opfer-Anwälten Alexander Klein (Mitte) und Jan Schabbeck im Verfahren um das BASF-Explosionsunglück.

Die Justiz erwog zunächst, auf einen Prozess um das BASF-Unglück zu verzichten. Nun endet er mit einer Strafe, die Richter auch ohne Großverfahren hätten verhängen können. Wichtig war es trotzdem.

Für so ein Urteil hätte es den Prozess um das Ludwigshafener BASF-Explosionsunglück gar nicht gebraucht: Eine Bewährungsstrafe hätten Richter auch vom Schreibtisch aus verhängen können. Dafür hätten sie die Akten studiert und dem Betroffenen dann per Strafbefehl schriftlich mitgeteilt, welche Buße sie ihm auferlegen. Wenn er die akzeptiert hätte, wäre die Sache erledigt gewesen. Doch der zuständige Ankläger Dieter Zehe wollte eine große Verhandlung. Den überlebenden Opfern und den Angehörigen der Toten hat er damit schwere Stunden beschert: Noch einmal mussten sie sich den Erinnerungen an das Flammeninferno stellen, die für sie so entsetzlich sind. Und doch war die Entscheidung des Staatsanwalts richtig. Denn in dem Verfahren ist akribisch und vor den Augen der Öffentlichkeit nachgeprüft worden, ob die Ermittler auch wirklich den wahren Unglücksverursacher gefunden und vor Gericht gestellt haben.

Andere Theorien ausgeschlossen

Sie waren schon bald davon ausgegangen, dass ein externer Arbeiter mit seiner Flex versehentlich ins falsche Rohr geschnitten und so eine verheerende Kettenreaktion ausgelöst hatte. Im Prozess hat der Verteidiger dieses Mannes andere Theorien aufgegriffen. Doch er musste erfahren, dass sie allesamt nicht stimmen können. Auch das war ein Beitrag zur Wahrheitsfindung. Denn um so sicherer steht nun fest, dass sein Mandant das Unglück verursacht hat. Alles zum Prozessverlauf, Urteil, Kommentare und Reaktionen finden Sie hier im RHEINPFALZ-Liveblog.  Bei diesem Ergebnis bleibt es auch – obwohl Juristen in den Akten noch Bemerkenswertes entdeckten, das dort zwar schlummerte, aber zunächst nicht als wichtig erkannt worden war. Zum Beispiel, dass bei der BASF schon einmal ein ähnlicher Fehler passiert sein könnte: 2011 war nahe der späteren Unglücksstelle an einem Rohr eine Scharte entdeckt worden, die zwar kein Leck verursacht hatte, aber ebenfalls von einer falsch angesetzten Flex zu stammen schien. 

Feuerwehr hatte keine Chance

Dem Konzern hätte also schwanen können, was bei Arbeiten mit so einem Werkzeug schiefgehen kann. Und was das für die Ethylen-Fernleitung bedeutet, die sich mit Dutzenden weiteren Rohren in eine Trasse am Nordhafen schmiegt. Wie schnell so eine Pipeline in der Hitze eines Feuers platzt, hatte 2008 eine Explosion bei einer Firma in Köln gezeigt. In Ludwigshafen hätte sich so etwas vielleicht schon mit einer extra Brandschutz-Beschichtung verhindern lassen. Stattdessen wollte die BASF das empfindliche Ethylen-Rohr im Brand-Fall mit Wasserfontänen kühlen lassen. Doch am 17. Oktober 2016 umloderten Flammen die Pipeline besonders intensiv. Und da war mit diesem Konzept nichts mehr zu retten: Das Unternehmen schickte seine Feuerwehr in einen Kampf, der von Anfang an verloren war. Die Staatsanwaltschaft allerdings sagt: Dafür kann niemand haftbar gemacht werden. 

Es war so genehmigt

Denn die Anlagen und Notfall-Konzepte waren genehmigt, das haben Tüv-Gutachter bestätigt. Und daraus geschlossen: Der Konzern hatte seine Pflicht erfüllt. Allerdings klangen diese Kontrolleure im Prozess bisweilen, als hätten sie ohnehin wenig Kritikwürdiges bei der BASF finden wollen. Was für einen Mangel an Neutralität sprechen kann, aber nicht muss: Vielleicht waren sie von den Fragen findiger Anwälte überfordert, drückten sich nur ungeschickt aus. So oder so, am Ende bleibt der Eindruck, dass die BASF und die Aufsichtsbehörden eine erkennbar drohende Gefahr nicht bedacht hatten. Über dieses Versäumnis wird jetzt offen diskutiert – noch ein Grund, warum sich der Prozess gelohnt hat. 

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