Rheinland-Pfalz BASF-Prozess: Schon einmal falsches Rohr angeschnitten

Der Tüv-Gutachter Fritz Miserre hat das BASF-Unglück untersucht.
Der Tüv-Gutachter Fritz Miserre hat das BASF-Unglück untersucht.

Im Verfahren um das BASF-Explosionsunglück hat gestern ein Gutachter bestätigt, dass an einer Pipeline schon einmal ein falsch gesetzter Flex-Schnitt entdeckt wurde. Zugleich bescheinigt er dem Konzern, dass dessen Vorkehrungen in Ordnung waren. Verbesserungen hat der Experte trotzdem eingefordert.

Ungefähr drei Minuten lang versuchte die Feuerwehr, das drohende Unheil noch abzuwenden. Und dann kam es doch zur Katastrophe: Das im Rohrgraben am BASF-Nordhafen entstandene Feuer ließ im Oktober 2016 eine Ethylen-Fernleitung bersten. Im Feuerball der folgenden Explosionsserie starben fünf Menschen, Dutzende wurden verletzt. Nun soll der Tüv-Gutachter Fritz Miserre aus München Frankenthaler Richtern erklären, ob der Konzern vorab genügend getan hatte, um so etwas zu verhindern. Der Chemiker war nach dem Unglück engagiert worden, um das Geschehen umfassend zu analysieren. Der 58-Jährige sagt: Mit der BASF hatte er zuvor noch nie zu tun gehabt. Denn die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd habe als Aufsichtsbehörde darauf gedrungen, dass ein Fachmann geholt wird, der möglichst unvoreingenommen an seine Aufgabe herangeht. Gemeinsam mit Experten-Kollegen habe er sich dann durch dicke Unterlagen-Stapel gearbeitet, die der Chemiekonzern bereitwillig herausrückte.

Rohr für flüssigen Ammoniak angeflext

In den Dokumenten hat die Gutachter-Truppe einen Beleg für etwas gefunden, was im Prozess bislang nur als vages Gerücht anklang: dass bei der BASF schon häufiger Pipelines versehentlich angeflext worden sein sollen. Denn der Konzern hat selbst festgehalten: Im März 2011 ist bei einer Kontrolle ein entsprechender Schnitt entdeckt worden, der fatale Folgen hätte haben können. Miserre erläutert: Betroffen war den Akten zufolge ein Rohr für flüssigen Ammoniak, der giftig ist und mit hohem Druck ausgetreten wäre. Damals allerdings war die Pipeline zwar beschädigt, aber noch nicht aufgeschlitzt. 2016 hingegen soll vor dem Explosionsunglück ein Schlosser bei Reparaturarbeiten mit seiner Flex die falsche Leitung erwischt und deren Wand komplett durchschnitten haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich die austretende Chemikalie an den Funken seines Werkzeugs entzündete und die Katastrophe auslöste. Der Konzern versichert mittlerweile, dass er Konsequenzen gezogen und verschiedene Vorkehrungen verbessert habe.

Bessere Instruktionen gefordert

Und im Gerichtssaal ergänzt Gutachter Miserre: Wenn in Frankenthal ein Urteil gefallen und der Vorfall umfassend aufgearbeitet ist, werden Sicherheits-Fachleute auch die Vorgaben für die ganze Branche anpassen. Einstweilen allerdings wollen die Richter von ihm vor allem wissen, ob die Vorkehrungen der BASF im Oktober 2016 auf dem damaligen „Stand der Sicherheitstechnik“ waren. Was der Gutachter bejaht, jedenfalls „im Wesentlichen“. In mancherlei Hinsicht bescheinigt er dem Konzern sogar besonders große Sorgfalt. Allerdings haben die Ermittlungen nach dem Unglück und der bisherige Prozessverlauf auch gezeigt, dass im Zusammenhang mit der fatalen Baustelle nicht alle Vorgaben genau beachtet wurden: Brandschutzdecken etwa lagen nicht so, wie sie sollten. Und auch bei Unterschriften auf Kontroll-Belegen wurde geschludert. Miserre sagt: Diese Mängel gab es, aber sie haben die Katastrophe nicht ausgelöst. Trotzdem hat er eingefordert, dass die BASF ihre Beschäftigten und die bei ihr eingesetzten Arbeiter anderer Firmen besser instruiert.

Schlimmere Folgen bei besserem Schutz?

Außerdem hat seine Experten-Truppe vorgegeben, dass Leitungen mit besonders explosiven Stoffen künftig besser gegen Hitze isoliert werden. Der Hintergedanke: Bei einer so geschützten Pipeline wären der Feuerwehr mehr als drei Minuten geblieben, um das drohende Unheil noch abzuwenden. Wobei Miserre zugleich darauf hinweist, dass die Katastrophe dann vielleicht sogar noch schlimmere Folgen gehabt hätte – weil wohl noch mehr Einsatzkräfte vor Ort gewesen wären, wenn die Ethylen-Fernleitung etwas später geborsten wäre. Alle Verhandlungstage des BASF-Prozesses im Überblick im Liveblog

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