Politik Was Merkel für die Union, ist die Unzufriedenheit für die AfD

Wahlsieger trotz starker Stimmeneinbußen: Die CDU-Spitze beklatscht ihre Vorsitzende.
Wahlsieger trotz starker Stimmeneinbußen: Die CDU-Spitze beklatscht ihre Vorsitzende.

Seit den Jugendjahren der Republik waren im Bundestag nicht mehr so viele Parteien vertreten. Nach dem Einzug der AfD und dem Wiedereinzug der FDP werden im künftigen Bundestag sieben Parteien sitzen. Wie ist das Wahlergebnis zustande gekommen? Die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen hat versucht, hinter die Prozentzahlen zu schauen:

„Bei der 19. Wahl zum Deutschen Bundestag wird die Union trotz heftiger Verluste zum 16. Mal stärkste Partei, die SPD fällt auf ihr schlechtestes Ergebnis im Bund, Linke und Grüne sind relativ stabil. Der FDP gelingt nach ihrem Absturz 2013 ein starkes Parlaments-Comeback und mit der AfD erzielt erstmals seit 34 Jahren eine neue Partei Mandate.“ So das Resümee der Wahlforscher. Als Gründe für den – wenn auch geschmälerten – Erfolg der Union nennen sie „Parteiansehen, Regierungsarbeit, Sachkompetenz und natürlich Angela Merkel“. Vorherrschend sei der Wunsch nach einer unionsgeführten Bundesregierung gewesen, und CDU/CSU hätten profitiert „von der Arbeit und Reputation einer Kanzlerin, die in einem ökonomisch starken Deutschland und global fragilem Umfeld Stabilität und Führungsstärke vermittelt“. Obwohl Merkel inzwischen auch polarisiere, bescheinigten ihr nach wie vor 73 Prozent der Deutschen gute Arbeit als Kanzlerin. Was sich darin ausdrückt, dass 57 Prozent der Bürger lieber Merkel im Kanzleramt sehen als den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz (33 Prozent). Das liegt auch am SPD-Kandidaten. Beim Image wird Schulz auf der von plus fünf bis minus fünf reichenden Skala mit 1,0 zwar besser eingestuft als 2013 Peer Steinbrück (0,7). Er bleibt aber weit entfernt vom hohen Ansehen Merkels (1,9), die gegenüber Schulz als sympathischer, glaubwürdiger und vor allem kompetenter gilt. Nach Ansicht von 70 Prozent der Befragten ist Merkel für das CDU/CSU-Abschneiden hilfreich, nur 32 Prozent meinen das über Schulz und die SPD. Ihre private wie auch die allgemeine wirtschaftliche Lage bewerten die Bundesbürger so gut wie nie zuvor bei einer Bundestagswahl, haben die Befragungen der Mannheimer Forscher ergeben. Aber gleichzeitig meinen zwei von drei Befragten, weltweit besonders unsichere Zeiten zu erleben. Nicht nur bei den Themen Wirtschaft und Jobs sieht die Mehrheit CDU/CSU klar vor der SPD, auch in der Außenpolitik wird der Union mehr zugetraut. Für 59 Prozent kann Merkel „Deutschland eher durch unsichere Zeiten führen“. Nur zehn Prozent sehen hier Martin Schulz vorn. Die SPD punktet neben der Familienpolitik mit dem Thema soziale Gerechtigkeit. Hier habe sie aber im Wahlkampf noch stärker als 2013 mit der Linken konkurriert, so die Analyse der Forschungsgruppe Wahlen. In einem Land, in dem sich für 82 Prozent aller Befragten die Unterschiede zwischen Arm und Reich in den letzten Jahren vergrößert hätten, sei die Linke für 81 Prozent ihrer Wähler „die einzige Partei, die Politik für sozial Schwache macht“. Beim Top-Thema Flüchtlinge fühlen sich 35 Prozent aller Befragten am ehesten von der CDU/CSU vertreten, nur 15 Prozent von der SPD und 13 Prozent von der AfD. Linke, Grüne und FDP bleiben einstellig. Aber 86 Prozent der AfD-Wähler (und 37 Prozent aller Befragten) bezweifeln, dass Deutschland die vielen Flüchtlinge verkraftet. 98 Prozent der AfD-Wähler (42 Prozent aller Befragten) kritisieren Merkels Flüchtlingspolitik. „Als politischer Kommunikator bindet die AfD so Protest, Sorgen und Unzufriedenheit einer Wählergruppe, die – mit Parallelen zur Linken – ein erheblich gewachsenes Wohlstandsgefälle sowie eine schlechte Zukunftsvorbereitung Deutschlands reklamiert“, schließen die Mannheimer Forscher. Als Partei von der eigenen Klientel hochgeschätzt sei die AfD für alle Bürger inzwischen weit nach rechts außen gerückt, ihr Image liege bei „miserablen“ minus 2,8 (2013: minus 1,4). Linke und Grüne stehen bei den Wählern zwar in etwas besserem Ansehen, für ihre Oppositionsarbeit gibt es aber schwache Noten. Dagegen schaffe die FDP diesmal ohne parlamentarischen Leistungsnachweis „eine nie dagewesene Imagekorrektur“ (von minus 0,9 vor vier Jahren auf jetzt 0,7). „Neben relativ viel Vertrauen in ihre Steuer- und Bildungspolitik profitiert sie von Parteichef Christian Lindner sowie taktischen Motiven im schwarz-gelben Lager: Gut einem Drittel der FDP-Wähler gefallen als Partei CDU bzw. CSU besser.“ Ihre besten Ergebnisse erzielt die Union bei den über 60-Jährigen (41 Prozent) und hier speziell bei den Frauen (47 Prozent). Während 37 Prozent aller Frauen, aber nur 30 Prozent der Männer CDU und CSU gewählt haben, ist die AfD bei Männern (16 Prozent) annähernd doppelt so stark wie bei Frauen (neun Prozent). Im Osten konkurriert sie bei allen unter 60-jährigen Männern sogar mit der CDU, die hier in dieser Gruppe zweistellige Verluste verzeichnet. Die FDP, wie die Grünen im Westen deutlich stärker als im Osten der Republik, punktet mit 13 Prozent überproportional bei Wählern, die noch keine 30 sind. Besonders viel Zuspruch für die Liberalen gibt es von Selbstständigen (17 Prozent); bei Arbeitslosen oder Gewerkschaftsmitgliedern, wo die SPD stärkste Partei bleibt, ist die FDP schwach. Und während die Grünen in Großstädten und bei Hochschulabsolventen ihre Domänen behalten, ist die Linke im Osten mehr als doppelt so stark wie im Westen. Im Osten macht die AfD der Linken den Status als zweitstärkste politische Kraft streitig. Info Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1666 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Deutschland in der Woche vor der Wahl sowie auf der Befragung von 41.318 Wählern am Wahltag.

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