Politik War Merkel eine große Kanzlerin? Nein, sagt Schäuble

Seit 50 Jahren im Bundestag: Wolfgang Schäuble.
Seit 50 Jahren im Bundestag: Wolfgang Schäuble.

Warum das CDU-Urgestein Angela Merkel in der Flüchtlingskrise 2015 nicht stürzen wollte.

Als Wolfgang Schäuble erstmals in den Bundestag gewählt wurde, war er 30 Jahre alt. Heute, auf den Tag genau 50 Jahre und 13 Bundestagswahlen später, sitzt der inzwischen 80-Jährige immer noch als direkt gewählter CDU-Abgeordneter im Parlament. Die am 19. November 1972 vorgezogene Neuwahl fand nach Kanzler Willy Brandts absichtlich verlorener Vertrauensabstimmung statt. Die damalige Wahlbeteiligung von 91,1 Prozent ist übrigens bis heute unübertroffen.

Also Schäuble. Es ist ruhig geworden um das CDU-Urgestein. Aus den tagesaktuellen Aufgeregtheiten hält er sich weitgehend raus. Aber wenn er was sagt, hören Freund und Gegner hin. Denn Schäuble hat was mitzuteilen. Wie in diesen Tagen im Interview mit dem „Handelsblatt“.

Schäubles Zweifel

Da hat er Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl als „große deutsche Kanzler“ bezeichnet. Was natürlich sofort zu der Nachfrage gereizt hat: „Adenauer, Brandt, Kohl – ist Ihre Aufzählung der großen Kanzler damit vollständig?“ Schäubles Antwort: „Sie ist vorläufig abgeschlossen. Ob Frau Merkel unter den großen deutschen Kanzlern einzuordnen sein wird, das ist vielleicht noch zu früh, um das abschließend zu beurteilen.“ Und dann kommen ihm offenbar Zweifel, ob Merkel irgendwann in Zukunft im gleichen Atemzug mit den großen drei genannt werden könnte. Denn Schäuble hält der Alt-Kanzlerin einen Mangel an Selbstkritik vor: „Bemerkenswert ist jedoch, dass sie (Merkel) auch jetzt in Bezug auf Russland nicht sagen kann, dass wir Fehler gemacht haben.“

Bemerkenswert ist auch eine weitere Passage, in der es um Merkels Flüchtlingspolitik geht. Die war nicht nur im Land umstritten, sondern auch in der CDU. Schäuble hält Merkels Entscheidung am 4. September 2015 zwar auch heute noch für richtig, die damals in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. In der CDU aber rumorte es in jener Zeit. Daher die Frage an Schäuble: Habe es keine Überlegungen gegeben, Merkel zu stürzen? Schäubles Antwort: „In dieser Zeit kamen einige mit solchen Ansinnen auf mich zu. Das habe ich abgelehnt.“

„Unsere Wähler nehmen uns das übel“

Ebenso hatte er es abgelehnt, rund um den Bremer Parteitag 1989 den CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl zu verdrängen. Darum sei er von Heiner Geißler und anderen CDU-Granden gebeten worden, erzählt Schäuble. Und weiter: „Ich war immer der Überzeugung, dass die CDU ihren eigenen Regierungschef nicht stürzen darf. Das ist nicht nur eine Frage von Loyalität, sondern auch von Klugheit. Unsere Wähler nehmen uns so etwas übel.“

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