Politik Entwicklungsministerium: „Eine Dorne ohne Rose“

Gerd Müller gelang es, den Etat des Ministeriums zu verdoppeln.
Gerd Müller gelang es, den Etat des Ministeriums zu verdoppeln.

Vor der Bildung einer neuen Bundesregierung wird – wieder einmal – über die mögliche Abschaffung des Bundesentwicklungsministeriums diskutiert, das inzwischen seit 60 Jahren besteht. Es war noch nie beliebt.

Der 14. November 1961 gilt als Geburtstag des Ressorts, das bereits FDP-Politiker Walter Scheel nur gegen großen Widerstand durchsetzen konnte. Als Scheel sein Amt antrat, bezeichnete er seine neue Aufgabe als „Weltsozialpolitik im eigenen Interesse“.

Der aktuell geschäftsführende Ressortchef Gerd Müller (CSU) erinnerte jüngst bei einem „Tag der Begegnung“ im Ministerium an den ersten deutschen Entwicklungsminister. An den Einsatz Walter Scheels sollten sich auch diejenigen aus seiner Partei erinnern, die heute „wieder daran denken, dieses Ministerium aufzulösen“, sagte Müller, ohne Namen zu nennen. Mit Verweis auf den Etat des Ministeriums fügte er hinzu, ein Zwölf-Milliarden-Haus, das sich weltweit für Deutschland in Sachen Freundschaft und Partnerschaft engagiere, „kann nicht Unterabteilung des Auswärtigen Amtes werden“.

Den FDP-Aufsteiger Scheel umgestimmt

Geboren wurde das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz BMZ, aus einer politischen Taktiererei heraus: 1961 hatte Kanzler Konrad Adenauer (CDU) mit der Union die politische Mehrheit verloren, die Liberalen hatten sich im Wahlkampf aber strikt gegen eine Koalition ausgesprochen. Mit dem Angebot, ein neu zu schaffendes „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit“ zu leiten, stimmte Adenauer den FDP-Aufsteiger Scheel um. Als erstes europäisches Land schuf Deutschland so ein eigenständiges Entwicklungsministerium, das zu Beginn provisorisch in der Bonner Bundestagskantine tagte.

Beliebt war das neue Haus nicht: Ludwig Erhard (CDU) stemmte sich als Wirtschaftsminister gegen die Gründung, Adenauer selbst seufzte später, das Ressort sei eine „Dorne ohne Rose“. Dirk Niebel (FDP), der von 2009 bis 2013 Ressortchef war, wollte das Ministerium vor seinem Amtsantritt sogar auflösen. Ähnliches hatte Klaus Kinkel (FDP) vorgeschwebt, der von 1992 bis 1998 Außenminister war. Auch der SPD schien der Gedanke nicht fremd: Im Schattenkabinett Rudolf Scharpings 1994 war gar kein Entwicklungsminister geplant.

Entwicklungspolitik verknüpft mit Ökologie

Die Schwerpunkte des BMZ änderten sich im Laufe der Zeit. Zunächst sollte durch Unterstützung bestimmter Länder in Afrika, Lateinamerika und Asien auch eine Ausbreitung des Kommunismus verhindert werden. Erhard Eppler (SPD), von 1968 bis 1974 Minister, verknüpfte Entwicklungspolitik mit Ökologie und mahnte, dass die Deutschen auf Dauer nicht auf einer „Insel des Wohlstandes“ in einem Meer von Elend leben könnten. Mitte der 1970er Jahre kam die Förderung von Frauen hinzu.

Seit den 1990er Jahren stehen globale Fragen wie Klimaschutz und Bevölkerungswachstum stärker im Fokus. CSU-Minister Carl-Dieter Spranger (1991 bis 1998) machte die politischen Verhältnisse in den Entwicklungsländern – Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte – zur Maxime. 1994 erhielt das Haus den Zusatz „und Entwicklung“. Sprangers Nachfolgerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) verstand Entwicklungspolitik als „globale Strukturpolitik“, die mehr Gerechtigkeit im Welthandel erreichen will. Sie setzte eine große Entschuldungsinitiative um.

Müller wiederum gelang es, den Etat des Hauses zu verdoppeln. Er setzte ein Lieferkettengesetz mit durch, das große Unternehmen in die Verantwortung nimmt, wenn sie billigen, dass ihre ausländischen Zulieferer Kinder arbeiten lassen oder gegen Menschenrechte verstoßen.

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