PFALZ Corona-Chatgruppen: Putin-Propaganda und Drohungen gegen Abgeordnete

Protest der Impfgegner am Samstag in Landau: Größere Kundgebungen gegen die Seuchenschutz-Regeln werden seltener, doch der harte
Protest der Impfgegner am Samstag in Landau: Größere Kundgebungen gegen die Seuchenschutz-Regeln werden seltener, doch der harte Kern der Bewegung scheint radikalisiert.

Die Protestkundgebungen gegen die Corona-Regeln werden kleiner, doch in radikalen Chatgruppen wird weiter Stimmung gemacht. Um Unmut zu schüren, suchen sich die Antreiber dort mittlerweile neue Themen. So machen sie jetzt zum Beispiel Propaganda für Putin. Ob das verfängt? Eine Online-Abstimmung lässt tief blicken.

Triumphierend verkünden die „Freien Pfälzer“ am 7. April eine „krachende Niederlage für die Impf-Extremisten“. Denn da ist im Bundestag die Einführung einer allgemeinem Impfpflicht gescheitert. Doch zugleich warnen die Gegner der Corona-Regeln in ihrem Telegram-Kanal mit mehr als 9000 Abonnenten: Das war allenfalls ein „Etappenziel für das Volk“, weshalb die als „Spaziergänge“ getarnten und zumeist illegalen Protestkundgebungen jetzt unbedingt fortgesetzt werden müssten.

Der Protest flaut ab

Allerdings haben die Corona-Leugner und Impfgegner mittlerweile ein Mobilisierungsproblem. Nachdem die einschneidendsten Vorschriften weitgehend gefallen sind, gehen deutlich weniger Menschen gegen die Seuchenschutz-Regeln auf die Straße. Zwar gibt es immer noch größere Einzel-Kundgebungen wie am Samstag Landau, wo sich etwa 2000 Anhänger der „Querdenker“-Ideen versammelten. Doch der allwöchentliche, an vielen Orten gleichzeitig stattfindende Montags-Protest flaut zusehends ab.

Während sich zu Spitzenzeiten in Rheinland-Pfalz nach Angaben der Sicherheitsbehörden jeweils bis zu 10.000 Demonstranten anschlossen, waren es am letzten Montag vor den Osterfeiertagen nur mehr rund 1750. Doch in der Szene scheint es einen harten Kern zu geben, der sich bis zum Äußersten radikalisiert hat. Das hat noch in der Karwoche der Fall der „Vereinten Patrioten“ gezeigt, zu denen als Führungsfigur ein verheirateter und zuletzt nicht berufstätiger 55-Jähriger aus Neustadt gerechnet wird.

Vom Verfassungsschutz entdeckt

Dieser Pfälzer und weitere Komplizen aus anderen Regionen Deutschlands sind verhaftet worden, weil sie die Entführung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) und Anschläge aufs Stromnetz geplant haben sollen. Ihr mutmaßliches Ziel: die Bundesrepublik ins Chaos stürzen und so die Regierung beseitigen. An diesem Montag wiederum hat der Landes-Innenminister Roger Lewentz (SPD) von einem weiteren Fall berichtet, in dem Impfgegner Politiker ins Visier genommen haben.

Demnach hat der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz einen Online-Beitrag entdeckt, in dem es über Bundestagsabgeordnete heißt: „Sie waren bereit, über unsere Leichen zu gehen. Wir werden es ihnen nicht vergessen.“ Dieser drohende Satz sei mit Fotos verschiedener Parlamentarier garniert worden. Und mit dem Aufruf sie außerhalb der „Festung Bundestag“ anzugreifen. Weil es sich dabei um eine Straftat handeln könnte, ermittle nun das Landeskriminalamt (LKA).

Gegen Rundfunkgebühren und Anne Spiegel

Die Scharfmacher in den Telegram-Gruppen versuchen derweil, Menschen nicht mehr nur wegen Corona-Vorschriften zu mobilisieren. Protestiert werden soll zum Beispiel auch gegen Rundfunkgebühren. Oder gegen Inflation. Oder gegen das Übergangsgeld von 75.000 Euro, das die bisherige Bundesfamilien- und frühere rheinland-pfälzische Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) nach ihrem Rücktritt bekommt. Und gegen diverse angebliche Machenschaften finsterer Weltbeherrscher.

In der Gruppe „Deidesheim wacht auf“ etwa erfuhren die immerhin knapp 300 Mitglieder an Ostern, dass „Blutregen“ nicht auf Sahara-Staub zurückzuführen sei. Denn: Über ganz Europa werde gerade „Schwefeldioxid ausgeschüttet“. Zu einem häufig aufgegriffenen Thema in der Szene ist außerdem der Ukraine-Krieg geworden. Eine in „Querdenker“-Kreisen beliebte Theorie besagt: Angezettelt haben diesen Konflikt die westlichen Politiker. Denn sie wollen davon ablenken, dass sie die Menschheit mit Corona-Regeln unterjochen wollen.

„Russisches Vorgehen gerechtfertigt“

Doch bleibt es in den Chat-Gruppen oft bei Andeutungen. Sicherheitsbehörden wie der baden-württembergische Verfassungsschutz haben dafür eine Erklärung, sie vermuten: Die radikalen Corona-Leugner befürchten, mit allzu plumper Putin-Propaganda einen Teil ihrer Gefolgschaft zu vergrätzen. Die „Freien Pfälzer“ allerdings haben schon Anfang März ganz offen die Probe aufs Exempel gemacht und ihre Anhänger über verschiedene Aussagen zu diesem Thema abstimmen lassen.

Ergebnis: Nur fünf Prozent der fast 2800 Teilnehmer votierten für Solidarität mit der Ukraine. 28 Prozent hingegen vertraten die Meinung, dass der Krieg „eine reine Inszenierung“ sei. Und fast 40 Prozent entschieden sich für: „Ich halte das russische Vorgehen für gerechtfertigt.“

 

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