Lobbyismus Wenn Politiker die Seiten wechseln: Die Karenzzeit-Wächter

Engagiert sich jetzt für gute Beziehungen Deutschlands zu den Ländern Asiens: Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).
Engagiert sich jetzt für gute Beziehungen Deutschlands zu den Ländern Asiens: Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Wenn Minister und Staatssekretäre neue Jobs suchen, wechseln sie nicht selten die Seiten und arbeiten dann für Lobbyisten. Ein Gremium im Kanzleramt wacht darüber, ob der nötige Abstand zum früheren Amt eingehalten wird.

Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat nichts zu befürchten: Der 63-jährige Saarländer, der neun Jahre lang Mitglied mehrerer Bundesregierungen unter der Führung von Angela Merkel (CDU) war, möchte in Zukunft als Redner und Autor tätig sein. Auch Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist fein raus: Er wurde nach dem Ausscheiden aus dem Amt Vorsitzender der „Asienbrücke“, einem gemeinnützigen Verein, der die Beziehungen Deutschlands zu Partnern in der Indo-Pazifikregion unterstützt.

Beide früheren Minister hatten ihre neuen Jobs dem Karenzzeit-Gremium im Kanzleramt gemeldet. Der Kreis der Seitenwechsel-Prüfer hatte dagegen keine Bedenken. Altmaier und Scheuer mussten also nicht erst einmal für eine Weile pausieren, sondern konnten ihre neuen Aufgaben gleich anpacken. Das ist aber eher die Ausnahme.

Bis zu 18 Monaten Sperre

Die Bundesregierung kann die neue Beschäftigung eines ehemaligen Regierungsmitglieds außerhalb des öffentlichen Dienstes für bis zu 18 Monate untersagen, wenn Interessenkonflikte entstehen oder das Ansehen der Bundesregierung beschädigt werden könnte. Es geht dabei sowohl um bezahlte als auch um unbezahlte Tätigkeiten. Das Karenzzeit-Gremium gibt dabei nur Empfehlungen ab, entscheiden muss das Bundeskabinett.

Bislang folgten die Minister stets den Ratschlägen der Gruppe, die seit April vom ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) angeführt wird. Außerdem gehören dem Gremium der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, und die ehemalige Hamburger Senatorin Krista Sager (Grüne) an.

Auflagen für CSU-Politiker Stephan Mayer

Die seit 2015 bestehende Karenzzeit-Regelung wurde bereits mehrfach angewandt, etwa auf die ehemalige Bundesministerin Brigitte Zypries und ihren Kollegen Sigmar Gabriel (beide SPD). So musste Zypries neun Monate bis zum Jobantritt bei der Deutschen Vermögensverwaltung warten und 15 Monate, bis sie politische Beirätin beim Bundesverband Mittelständische Wirtschaft werden konnte. Gabriel bekam die Auflage, erst nach zwölf Monaten den Job als Verwaltungsrat bei Siemens-Alstom anzunehmen. Der maximal mögliche Rahmen von 18 Monaten Karenzzeit wurde von dem Gremium bislang noch nicht ausgeschöpft, bedauert die Organisation Lobby-Control.

Keine Probleme sah das Gremium etwa in dem Ansinnen von Peter Tauber (CDU), zuletzt Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, freiberuflich der Deutschen Vermögensberatung AG mit Fachwissen beizustehen. Dagegen wurde Anfang Januar dem damals gerade frischgebackenen – und mittlerweile zurückgetretenen – CSU-Generalsekretär Stephan Mayer die Aufnahme einer Tätigkeit als Vizepräsident beim Deutschen Olympischen Sportbund für zwölf Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs im Innenministerium untersagt. Mayer war im Dezember bereits gewählt worden, gab nach dieser Entscheidung aber sein Amt zurück.

Lobby-Control für längere Karenzzeit

Die längste bisher ausgesprochene Abkühlphase traf den Parlamentarischen Staatssekretär Oliver Wittke (CDU) im Wirtschaftsministerium. Er wollte Lobbyist bei der wichtigsten Organisation der Immobilienwirtschaft werden, dem Zentralen Immobilien Ausschuss. Dieser Wechsel wurde ihm im Dezember 2019 für 16 Monate untersagt. Mittlerweile ist Wittke dort Hauptgeschäftsführer.

Lobby-Control und die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International halten eine Karenzzeit von bis zu drei Jahren für angebracht, damit genügend Abstand zwischen politischem Amt und neuer Tätigkeit gegeben ist.

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