Porträt Olaf Scholz – der Möglichmacher

Sieger der Bundestagswahl: Olaf Scholz (SPD) hat schon schwere Rückschläge und große Erfolge erlebt. Jetzt hat er es allen gezei
Sieger der Bundestagswahl: Olaf Scholz (SPD) hat schon schwere Rückschläge und große Erfolge erlebt. Jetzt hat er es allen gezeigt, die am Anfang nicht an ihn glaubten.

Vor zwei Jahren war Olaf Scholz ganz unten. Die Schlacht um den SPD-Vorsitz hatte er verloren. In der Corona-Pandemie zeigte er, was er kann. Seine Kür zum Kanzlerkandidaten machte in der Partei zunächst niemanden euphorisch. Aber jeder wusste: Der Mann kann Krisen bewältigen.

Die Karriere von Olaf Scholz ähnelt einer Berg- und Talfahrt. Er hat Rückschläge erlitten, aber auch riesige Erfolge gefeiert. Er wurde von seinen Parteifreunden abgeschrieben, und bald darauf galt er als Hoffnungsträger der deutschen Sozialdemokratie.

Scholz steckte ein und gab nie auf, nicht einmal dann, als er einen echten Grund dafür hatte – an jenem Tag im November 2019, als er die Wahl zum Parteivorsitzenden gegen das Führungsduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans krachend verlor. Die Parteilinken hatten ihn als verbrauchtes Gesicht der großen Koalition dargestellt, als Bewahrer des „Weiter-so“. Alle Augen richteten sich bei der damaligen Pressekonferenz auf ihn, den Verlierer. Der gedemütigte Scholz ließ sich nichts anmerken, sprach ein paar freundliche Worte und verschwand.

Als „SPD-Schäuble“ tituliert

Scholz besann sich, machte seine Arbeit als Finanzminister der großen Koalition – und lief zu großer Form auf. Als die Wirtschaft wegen der Corona-Lockdowns nach Unterstützung rief, war es Scholz, der die Milliarden locker machte. Zuvor noch wegen seines Kampfes für die Schwarze Null von den eigenen Leuten als „SPD-Schäuble“ verspottet, gab der Finanzminister Zunder, holte die „Bazooka“ raus und machte Wirtschaftspolitik „mit Wumms“, also mit unbegrenzter Feuerkraft. Damit beeindruckte Scholz auch die eigenen Leute. Die SPD versammelte sich hinter ihrem Vizekanzler, der sich gegen die drohende Gefahr stemmte.

Denn Scholz hatte sofort geschaltet. Schneller als die Kanzlerin war er auf dem Platz, versprach Kreditbürgschaften und Eigenkapitalspritzen ohne Limit. Es war der Beginn seines Wiederaufstiegs. Scholz traf große Entscheidungen und erntete viel Anerkennung. Man nahm ihn plötzlich als Macher wahr, als nüchternen, oft sehr leise sprechenden Mann, dessen Gefühlslage sich selten in der Mimik ablesen lässt.

Auf dem Parteitag abgestraft

Scholz’ Aufblühen als Finanzminister steht in starkem Kontrast zu seinen Anfängen auf der bundespolitischen Bühne. Als SPD-Generalsekretär unter Gerhard Schröder war es Anfang der 2000er Jahre sein Auftrag gewesen, die bei den Genossen ungeliebte Agenda 2010 durchzudrücken. Die dringend notwendigen Arbeitsmarkt- und Sozialreformen verkaufte Scholz in kalter Apparatschik-Sprache. Den Spottnamen „Scholzomat“ für das ständige Wiederholen monotoner Sätze hatte er sich redlich verdient. Mit 53 Prozent wurde er bei seiner Wiederwahl auf dem Parteitag in Bochum abgestraft. Da war er aber auch Blitzableiter für den angekratzten SPD-Kanzler.

Scholz steckte das Votum weg, machte weiter. Er wurde Arbeitsminister in der ersten Merkel-Regierung und zehrte von seinen früheren Erfahrungen als Anwalt für Arbeitsrecht. Scholz war es, der die ersten Mindestlöhne für einzelne Branchen durchsetzte, quasi als Reparatur der alten Agenda-Fehler. 2008 in der Finanzkrise weitete er die Kurzarbeiterregelung aus. Vielen Menschen wurde damit der Jobverlust erspart.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung 2009 sorgte für eine Zäsur in Scholz’ Leben. Er ging zurück in seine Heimatstadt Hamburg, wo die nächste Krise auf ihn wartete: die völlig zerstrittene Hamburger SPD. Scholz räumte auf. Aus dieser Zeit stammt sein Satz: „Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt.“

Absolute Mehrheit errungen

Die Wahl zum Hamburger Bürgermeister gewann er gegen den Bundestrend mit absoluter Mehrheit. Seine Hamburger Zeit ist nicht frei von Problemen: zum einen die kaum zu bändigende Gewalt am Rande des G-20-Gipfels, die Scholz zunächst nicht kommen sah, dann verharmloste, um sich später bei den Bürgern zu entschuldigen. Zum anderen bleibt seine Rolle im Cum-Ex-Skandal undurchsichtig. Es geht dabei um Steuererlasse für die Hamburger Warburg-Bank.

Scholz wird vorgeworfen, als Bürgermeister Einfluss darauf genommen zu haben, dass das Finanzamt Millionen-Rückforderungen nicht weiterverfolgte. Scholz wies die Vorwürfe zurück. Im Untersuchungsausschuss sagte er: „Das wäre ja eine politische Dummheit gewesen. Dazu neige ich nicht.“ Es sind solche Sätze, die es seinen politischen Freunden schwer machen, einen Zugang zu ihm zu finden. Doch das scheint vergessen. Der Sieger der Bundestagswahl hat viele überzeugt durch seine Ruhe und Sachlichkeit in einer Welt voller Aufregung.

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