Politik Merkel: Stimmenverluste Folge fehlenden Vertrauens

Sieht sich selbst in der Pflicht: CDU-Chefin Angela Merkel.
Sieht sich selbst in der Pflicht: CDU-Chefin Angela Merkel.

«Berlin/München.» Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte gestern, die Bayern-Wahl habe gezeigt, dass selbst beste Wirtschaftsdaten und nahezu Vollbeschäftigung nicht ausreichten, „wenn etwas nicht da ist, was so wichtig ist, und das ist Vertrauen in die politischen Akteure“. Davon sei viel verloren gegangen, sagte die CDU-Vorsitzende mit Blick auf die langwierige Regierungsbildung und den chaotischen Start der großen Koalition. Verantwortlich für den Vertrauensverlust seien auch die Unionsparteien, von denen man erwarte, dass sie gemeinsam agierten, sagte Merkel mit Blick auf interne Konflikte zwischen CDU und CSU. „Und deshalb ist es nicht gelungen bislang, dass die große Koalition das, was sie gemacht hat, auch wirklich deutlich machen konnte. Und deshalb ist meine Lehre aus dem gestrigen Tag, dass ich auch als Bundeskanzlerin dieser großen Koalition stärker dafür Sorge tragen muss, dass dieses Vertrauen da ist und damit auch die Resultate unserer Arbeit sichtbar werden, und das werde ich auch mit allem Nachdruck tun.“ Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles machte das Erscheinungsbild der „Groko“ für das Debakel ihrer Partei in Bayern mitverantwortlich: „Das schlechte Bild der Bundesregierung hat auch dazu beigetragen, dass wir nicht durchgedrungen sind mit unseren Themen.“ Die SPD war in Bayern auf 9,7 Prozent abgestürzt, ein Minus von 10,9 Prozentpunkten – das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt. Die SPD will auf einer Vorstandsklausur am 4. und 5. November über eine Neuausrichtung beraten. Diese Debatte werde dann „sicherlich auch zu Konsequenzen führen“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Juso-Chef Kevin Kühnert rief die SPD auf, die große Koalition am Jahresende auf den Prüfstand zu stellen. CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer sagte, die große Koalition sei stabil. Dazu werde die CSU ihren Beitrag leisten: „Wir werden aktiv und konstruktiv in der Bundesregierung mitarbeiten.“ Der CSU-Parteivorstand nominierte gestern den bayerischen Regierungschef Markus Söder einstimmig erneut für das Amt des Ministerpräsidenten. Der in der Kritik stehende Seehofer stellte klar, dass er die Doppelspitze mit Söder fortsetzen wolle: „Ich glaube, das hat sich sehr bewährt“, sagte er und fügte hinzu: „Ich führe auch heute keine Personaldiskussionen über mich.“ Er sehe seine Aufgabe auch darin, die CSU auf die Europawahl im Mai und die bayerische Kommunalwahl 2020 vorzubereiten. Söder bekräftigte, er strebe eine Koalition mit den Freien Wählern (FW) an. FW-Chef Hubert Aiwanger kündigte erste Sondierungen für morgen an und betonte, seine Partei werde sich „nicht unter Wert verkaufen“, aber auch keine unerfüllbaren Forderungen stellen. Aiwanger sprach im Radiosender Bayern 2 schon über die Anzahl der Posten für seine Partei: „Drei Stück an Ministerien werden wohl realistisch sein.“ Ein Bündnis aus CSU und Freien Wählern hätte eine klare Mehrheit im Landtag. Bei der Landtagswahl am Sonntag fuhren die Christsozialen mit 37,2 Prozent (2013: 47,7 Prozent) ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 ein. Zweitstärkste Kraft sind die Grünen, die ihr Ergebnis von 2013 auf 17,5 (8,6) Prozent verdoppelten. Die Freien Wähler legten auf 11,6 (9,0) Prozent zu. Die AfD zieht mit 10,2 Prozent erstmals in den bayerischen Landtag ein. Die FDP schaffte mit 5,1 (3,3) Prozent knapp den Einzug in den Landtag, aus dem sie 2013 ausgeschieden war. Leitartikel Seite 2; Berichte Seite 3

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