Politik Ringen um Einigkeit

Bei ihrem Treffen in Rom wollen die Staats- und Regierungschefs eine Erklärung zur Zukunft der EU verabschieden. Die sogenannte Agenda von Rom ist eher allgemein gehalten – und doch gibt es im Vorfeld von einigen Staaten Vorbehalte gegenüber dem, was in der Erklärung stehen soll und was nicht. Eine Auswahl von Zitaten und welche Konflikte dahinterstehen. „Wir werden zusammen handeln, mit unterschiedlichem Tempo und Intensität – wo nötig. (…) die Tür aufhalten für alle, die später dazu stoßen wollen.“ Hier wird auf ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten Bezug genommen. Um die Formulierung wurde lange gerungen. In einem ersten Entwurf tauchte der Begriff „verschiedene Geschwindigkeiten“ noch auf. Er wurde jetzt aber abgemildert, weil er ein Reizwort für Polen und Ungarn darstellt. Seit Angela Merkel ihn in die Debatte um die Reform der Gemeinschaft eingebracht hat, befürchten sie, dass Deutschland mit Frankreich das Konzept von Kerneuropa wiederbeleben könnte. Ihre Sorge ist, abgehängt zu werden, weil Berlin beispielsweise in einem exklusiven „Club“ die Wirtschafts- oder Handelspolitik vertieft und andere außen vor lässt. Die EU nimmt in Anspruch, „einzigartig“ zu sein sowie „eine große Wirtschaftsmacht mit beispiellosen Standards bei Wohlstand und sozialer Sicherung“. Diese Passage sorgte für Streit mit Griechenland. Athen hat bis zuletzt einen Vorbehalt gegen die gesamte Rom-Erklärung deutlich gemacht. Die Regierung wollte unbedingt eine Formulierung durchsetzen, die die Garantie von sozialen Standards und Arbeitnehmerrechten vorsieht. Damit kam Athen aber nicht durch. In Berlin und anderen Hauptstädten wäre dies verstanden worden als eine Art Persilschein für Griechenland, sich vor den verabredeten Hausaufgaben – etwa unangenehmen Renten- und Arbeitsmarktreformen – zu drücken. Dahinter steht der Grundsatzstreit zwischen Nord- und Südeuropäern um die Bedeutung von ausgeglichenen Haushalten und staatlichen Investitionen. „Wir werden die EU stärker (…) machen durch ein umso geeinteres Vorgehen, Solidarität sowie den Respekt vor gemeinsamen Regeln.“ Im Hintergrund taucht hier der Konflikt mit Polen auf. Anfang März gab es einen beispiellosen Eklat um die Wiederwahl von Donald Tusk als EU-Ratspräsident. 27 Hauptstädte unterstützten den Polen, nur sein Heimatland nicht. Warschau drohte danach mit Konsequenzen. Es wurde befürchtet, dass die rechtskonservative Pis-Regierung komplett auf Blockadekurs geht, in Zukunft Mehrheitsentscheidungen nicht akzeptiert oder womöglich ganz aus der EU raus will. Es wird nun als positives Signal gesehen, dass die Unterhändler aus Warschau konstruktiv mitgearbeitet haben und auch Formulierungen mittragen, die den Geist der Einigkeit und gegenseitiger Solidarität bekräftigen. Ziel ist ein soziales Europa mit „nachhaltigem Wachstum“. Die „Vielfalt der nationalen Systeme“ sowie die „Schlüsselrolle der Sozialpartner“ werden gewahrt. Europa hat in der Sozialpolitik wenig Kompetenzen. Sozialdemokraten, zumal aus wirtschaftlichen Krisenländern wie Italien oder Spanien, würden dies gern ändern. Ihnen schwebt etwa vor, EU-weit eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung zu schaffen. Für Deutschland und andere Länder ist dies aber ein rotes Tuch. Die Sorge ist, dass dann deutsche Beitragszahler die Folgen der hohen Massen- und Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa finanzieren müssten. Die Bekräftigung der Vielfalt wird als deutliches Signal gesehen, dass die Grenzen zwischen den nationalen Sozialsystemen zumindest in den nächsten zehn Jahren nicht eingerissen werden.

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