Leitartikel Kommunalwahlen in Thüringen: Nur ein blaues Auge

Immer wieder gibt es Proteste gegen Björn Höcke.
Immer wieder gibt es Proteste gegen Björn Höcke.

Die Kommunalwahl in Thüringen galt als Stimmungstest für die Landtagswahlen im September. Jetzt ist bundesweit Aufatmen zu hören.

Normalerweise hat eine Kommunalwahl, noch dazu in einem so kleinen Bundesland wie Thüringen mit gerade mal 1,7 Millionen Wahlberechtigten, keine größere politische Ausstrahlung. Doch der Urnengang im Freistaat war die erste Abstimmung in diesem Jahr im Osten, wo im Herbst drei Landtagswahlen anstehen. Die Wahl galt als Testlauf – insbesondere für die AfD, die in Thüringen von Rechtsaußen Björn Höcke geführt wird und als gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist.

Der von der Bundespartei erhoffte Siegeszug ist allerdings ausgeblieben. Zwar haben es etliche Kandidaten der AfD in die Stichwahl um Landrats- und Bürgermeisterposten geschafft. Doch lediglich im Landkreis Altenburger Land liegt der AfD-Mann Heiko Philipp mit 33 Prozent vor CDU-Amtsinhaber Uwe Melzer mit 32,2 Prozent. Bei den Stichwahlen in zwei Wochen ist ein Durchmarsch für die Kandidaten aus dem rechtsextremen Lager eher unwahrscheinlich, weil die führenden Kandidaten von CDU, SPD oder Parteilosen Stimmen von Anhängern demokratischer Parteien erhalten dürften. Nach der Landrats-Nachwahl von Robert Sesselmann (AfD) im Landkreis Sonneberg gibt es also nur noch minimale Chancen auf weitere kommunale Spitzenämter und damit wachsenden politischen Einfluss.

Höcke-Partei kann deutlich zulegen

Allerdings konnte die Höcke-Partei bei den Kreistags- und Stadtrats-Wahlen deutlich zulegen. Sie lieferte sich mit der traditionell in den Thüringer Kommunen starken CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen, beide Parteien liegen um 27 Prozent. Bei der letzten Kommunalwahl 2019 kam die AfD noch auf 17,7 Prozent, die CDU auf 27,3 Prozent. Welche Bedeutung selbst die parteipolitische Zusammensetzung von Kreistagen haben können, zeigte sich zuletzt in Sonneberg. Dort versuchte AfD-Landrat Sesselmann, sämtliche Gelder für Demokratieförderprojekte zu streichen, scheiterte jedoch am Kreistag.

Die aktuellen Landtags-Umfragen deuten an, dass die AfD an Zustimmung verliert, lag sie zuvor noch bei um die 30 Prozent. Für den Rückgang sorgten die Skandale um die Europawahl-Spitzenkandidaten, Maximilian Krah und Petr Bystron, sowie das Potsdamer „Remigrations“-Geheimtreffen. Die im Landtag oppositionelle CDU konnte davon allerdings nicht allzu sehr profitieren, hielt aber fast überall ihre guten Ergebnisse.

Neonazi in Stichwahl

Eine böse Überraschung gab es in Südthüringen: Im Kreis Hildburghausen sicherte sich der Neonazi und Gastwirt des „Goldenen Löwe“, Tommy Frenck, mit knapp 25 Prozent den Einzug in die Stichwahl um den Landratsposten vor dem CDU-Kandidaten. Es war der einzige Thüringer Landkreis, in dem die AfD nicht antrat.

Der bundesweit bekannte Rechtsextremist, der große Rechtsrockkonzerte organisierte und regelmäßig Schnitzel für 8,88 Euro an Adolf Hitlers Geburtstag – die 88 steht in der Neonazi-Szene für „Heil Hitler“– verkauft, hatte es zum großen Entsetzen von Beobachtern durch den Kreiswahlausschuss geschafft. Der wegen schwerer Körperverletzung verurteilte Frenck, der auch im Verfassungsschutzbericht – seine Wählergemeinschaft „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ gilt als „führende neonazistische Gruppierung im Landkreis“ – erwähnt wird, dürfte wohl kaum jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten, wie es auch in Thüringen die Verfassung von Kandidaten verlangt.

Allerdings wird Frenck in der Stichwahl am 9. Juni voraussichtlich und zum Glück ohne Chance sein: Sven Gregor von den Freien Wählern lag im ersten Wahlgang bereits mit 42,4 Prozent weit vorn.

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