Politik Ein Asyl-Skandal und die Rolle von Horst Seehofer

Er ist noch keine 100 Tage im Amt, doch schon droht Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Die FDP will Unregelmäßigkeiten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufklären und dabei auch die Rolle Seehofers beleuchten. Der Vorwurf: Der Innenminister soll schon früher als von ihm zugegeben von der Sache gewusst haben.

Während die FDP und teilweise auch die Grünen gestern rhetorisch große Geschütze auffuhren, blieb Seehofer demonstrativ gelassen. „Für mich ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses keine Bedrohung“, sagte er in der Haushaltsdebatte des Bundestages. Er würde es sogar ausdrücklich begrüßen, dass „diese Dinge“ auch parlamentarisch aufgearbeitet würden. Worum geht es? Gegen die frühere Leiterin der BAMF-Außenstelle in Bremen gibt es den Vorwurf, dazu beigetragen zu haben, dass mindestens 1200 Asylbewerber womöglich zu Unrecht Schutz erhielten. Der Fall ereignete sich zwischen 2013 und 2016, also in der Amtszeit von Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU). Die Staatsanwaltschaft ermittelt außer gegen die Frau auch gegen fünf weitere Beschuldigte, darunter sind drei Rechtsanwälte und ein Dolmetscher. Es bestehe der Verdacht der Bestechlichkeit und der „bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“. Dass Seehofer nun ins Spiel kommt, liegt an dem Umstand, dass „diese Dinge“ erst in seiner Amtszeit öffentlich bekannt wurden, nämlich vor knapp einem Monat. Intern soll man von den zu Unrecht durchgewinkten Asylanträgen bereits Ende Februar gewusst haben, und zwar durch einen Bericht von Josefa Schmid, der Nachfolgerin der Beschuldigten in Bremen. Sie hatte laut Medienberichten auf 99 Seiten der BAMF-Zentrale in Nürnberg dargelegt, was vor ihrer Zeit in Bremen passiert ist. Josefa Schmid spielt für die FDP eine zentrale Rolle, was die Beschuldigungen gegen Seehofer angeht. Denn laut Schmid hat das BAMF auf ihren Bericht nicht reagiert. Daraufhin habe sie versucht, den zuständigen Innenminister über die ihrer Meinung nach skandalösen Vorgänge in Bremen zu informieren. Angeblich soll sie eine SMS an Seehofers Privathandy geschickt haben mit dem Hinweis auf „ungeheure Vorgänge in einer unglaublichen Dimension“ – allerdings ohne Reaktion. Daraufhin schickte Schmid einen Bericht an den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), mit der Empfehlung, eine „neutrale Untersuchungskommission“ durch das Ministerium einzusetzen, um für eine Aufklärung der Vorfälle unabhängig von der BAMF-Leitung in Nürnberg zu sorgen. Seehofer will erst 14 Tage später von dem mutmaßlichen Betrug in Bremen erfahren haben. Für den Südpfälzer Grünen-Abgeordneten Tobias Lindner spielt Seehofer mit falschen Karten. Im Bundestag rief Lindner dem Minister gestern zu: „Tun Sie nicht so, als wären Sie der Chef-Aufklärer. Was wussten Sie und wann wussten Sie es?“ Die Grünen könnten sich allerdings auch vorstellen, auf einen Untersuchungsausschuss zu verzichten, wenn anderweitig für Aufklärung gesorgt werde, etwa im Innenausschuss. Die FDP hingegen stellt sich stur: Es führe kein Weg an einem Untersuchungsausschuss vorbei, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Marco Buschmann. Offenbar sei nur so eine „schonungslose Aufklärung“ möglich. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist ein Viertel der Abgeordnetenstimmen nötig, dies sind 178. Das Quorum wäre erreicht, wenn drei der vier Oppositionsfraktionen dafür votieren würden.

x