Saach blooß – die Dialektserie „De Herzbännel abrenne“ – die Geschichte vom Herz und seinem Kasper

Ummesunnscht „de Herzbännel abgerennt“.
Ummesunnscht »de Herzbännel abgerennt«.

Wenn Pfälzer sich „de Herzbännel abrennen“ – ist das dann ein medizinischer Notfall? Und was, wenn das Herz in die Hose rutscht?

Es gibt Fragen rund um den Dialekt, die hat „Saach blooß“, die Serie über Pfälzer Begriffe und Redensarten in allen Lebenslagen, den Lesern noch nicht gestellt. Zum Beispiel die, ob’s ein pfälzisches Wort für „Work-Life-Balance“ gibt. Wir halten die Frage auch diesmal zurück. Am Ende meldet sich noch Hermann Gerland, der frühere Co-Trainer des FC Bayern München, der neulich im Interview behauptet hat: „Ich hab nur gewörkt, ich hab nicht gelifet.“ Ja, früher. Da hat’s im Juli geschneit und der gute Gerland ist mit Schneeschuhen zum Baggersee gelaufen und hat mit der bloßen Faust ein Loch ins Eis gehauen.

Aber wir schweifen ab.

Tatsächlich steht auch diese Folge nicht unter dem Motto „erholsames Leben“, sondern knallhart im Zeichen von „Stress, Hektik und Abhetzerei“, wie Ruth Metz aus Hatzenbühl und Manfred Zaun aus Dirmstein das beschreiben. Denn: „Ich renn mer noch de Herzbännel ab!“ lautet die Redensart, um die es heute gehen soll.

Wir lassen uns diese Formulierung erst einmal auf der Zunge zergehen: „De Herzbännel abrenne“ ...

Hier ist also die Rede – so erklärt das Reinhard Hartmann aus Kaiserslautern – von einem Muskelband, das nach der Meinung unserer Vorfahren das Herz dort festhält, wo es hingehört, und das außerdem dafür sorgt, „dass einem das Herz nicht in die Hose rutscht“. Dieses Band kann man sich auf gut Pfälzisch „abreiße“, „abrenne“ oder „ablaufe“, es kann außerdem „abspringe“ und man kann es sich „rausreiße“ und „abärjere“ (also: abärgern), wie der Leser ausführt.

„Ich bin geschtern so uff de Zug gerennt“

Bleiben wir beim klassischen Beispiel: „Ich bin geschtern so uff de Zug gerennt, mer is beinoh de Herzbännel abgerisse“, schreibt Gertraud Hanewald aus Frankenthal-Flomersheim. Wie um zu belegen, dass früher eben doch nicht alles besser war (auch nicht bei der Deutschen Bahn), erzählt Ruth Franz aus Schifferstadt von einer ähnlichen Begebenheit vor 25 Jahren: Verspätung des ICE aus Mannheim bei Ankunft in Hamburg-Altona mit nur noch drei Minuten Zeit zum Umsteigen in den Zug nach Sylt – von Gleis 1 bis Gleis 12 mit Sack und Pack: „Mir hän uns fascht de Herzbännel abgerennt. Wir hatten also heftiges Herzklopfen und waren außer Atem.“

Wir halten fest: Zum Kern der Redensart gehört, dass man sich den „Herzbännel“ nicht vollständig „abrennt“, sondern nur „fascht“, „beinoh“ oder „schiergar“. Alles andere wäre ja auch fatal.

Schiergar wär’s bassiert.
Schiergar wär’s bassiert.

Das Herzklopfen jedenfalls, von dem Ruth Franz berichtet, kennen auch „die Karin un die Elke vun de Haßlocher Sparkass“. Die Mitmacherinnen seit nunmehr über 21 Jahren schreiben: „Oft muss mer sich de Herzbennel abrenne, um zu schaffe, was mer sich selwer oigedeelt hot, oder um pinktlich zu ener Verabredung zu kumme. Donn muss mer sich gonz arg beeile, des Herz kloppt wie verriggt und mer muss uffbasse, dass mer kenn Herzkaschber kriegt.“

„Er plärrt sich die Lung aus em Hals“

Auch hier noch einmal zur allgemeinen Beruhigung: Der „Herzkaschber“ lässt sich zwar am treffendsten mit „Herzattacke“ oder „Herzinfarkt“ übersetzen, wird aber im alltäglichen Pfälzer Sprachgebrauch nur sinnbildlich verwendet. Das Wort steht also nie oder nur in Ausnahmefällen in Verbindung mit einem echten medizinischen Notfall. Auch der „Herzbännel“ dürfte ein – wenngleich sehr konkretes – Sprachbild sein, das mit der anatomischen Realität wenig zu tun hat. Ganz ähnlich gelagerte Fälle sind die Redewendungen „Er plärrt sich die Lung aus em Hals“ oder, siehe oben, „ihr rutscht es Herz in die Hosse“ (sie hat Angst).

Oder steckt vielleicht doch mehr dahinter, als wir glauben? Christoph Blöcher aus Fußgönheim geht den Herzbännel-Spruch tatsächlich anatomisch an. Er argumentiert: „Das menschliche Herz hat für eine zentrale Herzklappe (die Mitralklappe) einen fadenförmigen Muskel, der sicherstellt, dass die drei Lappen der Herzklappe in der Öffnung gehalten werden und nicht nach oben abheben können. Dieser kleine Muskel ist zum Herzboden gespannt.“ Werde der „Herzbännel“ zerstört, könne das den Tod bedeuten.

Abendkurs Herzchirurgie

Wir halten sicherheitshalber fest: Vielleicht hat die auf den ersten Blick abstruse Metapher vom „Herzbännel“, den man sich „ablaufen“ kann, ja doch einen medizinischen Kern. Bei Gelegenheit wird „Saach blooß“ einen Abendkurs Herzchirurgie absolvieren. Oder den Erste-Hilfe-Kurs auffrischen. Oder eine Flasche Doppelherz trinken. Oder chillen.

„De Herzbännel abrenne“ , Schneckenversion.
»De Herzbännel abrenne« , Schneckenversion.

Doch zurück aufs sichere Terrain der Sprache: „Ich hab mer so de Herzbännel abgerennt, un jetzt isser (der andere) net do“, schreibt Peter Lucas aus Forst und stellt den „Herzbännel“-Spruch somit in den Kontext eines Vorwurfs: Motto: Ich renne mich ab, und wofür eigentlich? „Wammer fer jemand dud un macht, sich de Herzbännel abrennt un dann war alles fer die Katz“, kann das laut Ursula Linsmayer aus Ramstein-Miesenbach für Ärger sorgen. Die Redensart „de Arsch uffreiße (fer was?)“ als Variante von „de Herzbännel abrenne“ zeugt von dieser Frustration, wenn der eigene enorme Einsatz ins Leere läuft.

Das Grumbeer-Gerücht

Marga Bunge aus Frankenthal schließlich liefert noch eine sehr persönliche Geschichte aus der Vergangenheit. Sie erzählt, wie ihre Mutter sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg „de Herzbännel abgerennt hot“, um vier Kinder zu versorgen, zum Beispiel mit „Grumbeere“. Nur auf ein Gerücht hin, dass es bei einem Bauern in Heßheim Kartoffeln gebe, habe sie sich die Hacken abgelaufen, um am Ende einen Korb voll „Klicker“ un „angehackte“ (also kleine und beschädigte Kartoffeln) nach Hause zu bringen. Ähnlich aufwendig sei es für ihre Mutter gewesen, als es 1948 Bezugsscheine für Kinderschuhe gegeben habe – ein Paar für vier Kinder.

Zu dieser Lebensgeschichte passt die Übersetzung von „de Herzbännel abrenne“ von Ullrich Horn aus Offenbach am Main, der aus Dirmstein stammt: „Jemand erledigt Aufgaben ,dapper’ (schnell, tapfer) ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit.“

Und nächstes Mal?

Wie war das gleich nochmal mit der Work-Life-Balance? Vermutlich ist „norre net huddle“ ein passender Pfälzer Spruch. Passen Sie also auf, dass sich Ihr Herzbändchen nicht verheddert! Und machen Sie mit bei unserer nächsten Folge! Wir suchen dafür blumige Pfälzer Umschreibungen für „dumm“, und zwar nach dem Schema „dumm wie...“, „blöd wie ...“ oder auch „zu doof, um ...“. Wir interessieren uns für Redewendungen von „dabbich wie die anner Woch“ über „hohl wie en Zehner Weck“ und „zu bleed, fer aus’m Bus zu winke“ bis zu „zu dabbich, fer e Loch in de Schnee zu brunse“. Wir fragen: Wer kennt diese Wendungen? Wer kennt noch weitere? In welchem Zusammenhang haben Sie sie gehört? Wann verwenden Sie sie selbst? Und wie sind sie wohl entstanden? Schreiben Sie uns!

Die Serie: Unter dem Motto „Saach blooß“ ergründen wir seit dem Jahr 2002 den Ursprung von Sprüchen, Redensarten und Wörtern aus der Pfalz und die Geschichten dahinter. Wir tun das mithilfe unserer Leserinnen und Leser. Schreiben Sie unter dem Kennwort „Saach blooß“ an: RHEINPFALZ am SONNTAG, Amtsstraße 5-11, 67059 Ludwigshafen, Fax: 0621/ 5902-613, E-Mail-Adresse: saachblooss@rheinpfalz.de. Das Buch zur Serie mit 258 Folgen auf 576 Seiten gibt’s im Buchhandel und hier im RHEINPFALZ-Shop.

Das Buch zur Serie, 576 Seiten stark.
Das Buch zur Serie, 576 Seiten stark.

Dieser Artikel stammt aus der RHEINPFALZ am SONNTAG, der Wochenzeitung der RHEINPFALZ. Digital lesen Sie die vollständige Ausgabe bereits samstags im E-Paper in der RHEINPFALZ-App (Android, iOS). Sonntags ab 5 Uhr erhalten Sie dort eine aktualisierte Version mit den Nachrichten vom Samstag aus der Pfalz, Deutschland und der Welt sowie besonders ausführlich vom Sport.

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