LEITARTIKEL Zwei Jahre Krieg: Die Zeit läuft gegen die Ukraine

Verpackte Panzer vom Typ Leopard 1 stehen auf dem Truppenübungsplatz Klietz in Sachsen-Anhalt für den Transport in die Ukraine b
Verpackte Panzer vom Typ Leopard 1 stehen auf dem Truppenübungsplatz Klietz in Sachsen-Anhalt für den Transport in die Ukraine bereit.

Seit zwei Jahren lässt Wladimir Putin die Ukraine auf breiter Front angreifen. Wenn sich der Westen nicht beeilt, mit aller Konsequenz dagegen vorzugehen, ist es zu spät.

730 Tage Leid. 730 Tage Terror. Russlands Überfall auf die Ukraine jährt sich an diesem Samstag zum zweiten Mal. So hoffnungslos wie jetzt war die Lage nie. Während Mütter in Charkiw, Kiew oder Luhansk um ihre Kinder weinen, Väter an der Front sterben, sinkt die Aufmerksamkeit, schrumpft die Unterstützung. Munition, Marschflugkörper, Mut machende Erfolge: Vieles fehlt. Neben der russischen Armee haben die Überfallenen einen weiteren mächtigen Gegner: die Zeit. Wladimir Putin setzt auf sie. Wolodymyr Selenskyj fürchtet sie. Den Unterstützern der Ukraine rennt sie davon.

Der russische Machthaber fährt die Kriegswirtschaft in seinem Land immer weiter hoch, schickt einen Kämpfer nach dem anderen an die Front. Viele Russen unterstützen ihn – manipuliert durch Gehirnwäsche, abgeschreckt durch Brutalität gegen die Opposition, fanatisiert durch Indoktrination, die schon bei den Kleinsten ansetzt.

Wichtige Präsidentenwahl in den USA

Ganz großes Unheil droht der Ukraine im November. Dann wählen die USA einen neuen Präsidenten. Der Republikaner Donald Trump hat bereits klargemacht, den Erhalt der Friedensordnung in Europa nicht als Top-Priorität zu haben. Der russische könnte den US-Präsidenten als nützlichen Idioten gebrauchen, der den Druck auf den Westen erhöht und die Unterstützung der USA zurückfährt.

Die Abhängigkeit von den USA liegt auch an der Schwäche Europas. Wladimir Putin wusste, dass es einige Länder auf Dauer nicht ernst meinen würden mit dem Beschwören der „Wertegemeinschaft“. Viele Regierungschefs haben die kurzfristigen Herausforderungen in ihrem Land im Blick, sehen aber nicht die langfristigen Gefahren, die eine Niederlage der Ukraine auch für sie mit sich bringen würde.

Fantasien von einem großrussischen Reich

Wladimir Putin schreibt sein Vermächtnis mit Blut. Er fantasiert von einem großrussischen Reich, möchte ausreizen, wie viel Land er ungesühnt erobern kann. Wer heute verschläft, das Gesagte und Geschriebene ernst zu nehmen, wacht morgen in einer neuen Realität auf.

Die Realität der Ukraine bleibt so oder so eine andere als noch vor ein paar Jahren, auch in territorialer Hinsicht. Der Krieg hat eine Phase erreicht, in der es aus verschiedenen Gründen nicht mehr alles zurückzugewinnen gibt. Was also tun? Dem Vorschlag der Wagenknechts und Chrupallas folgen, die von Beginn an für Verhandlungen werben? Nein. Zumindest noch nicht. Die Grundlage für Gespräche war aus ukrainischer Sicht noch nie so schlecht. Die Überfallenen müssen erst wirkmächtiger zurückschlagen, um zumindest eine bessere Verhandlungsbasis zu gewinnen.

Die Sprache des Geldes

Die gewinnt die Ukraine nur, wenn der Westen Wladimir Putin endlich spürbar wehtut: militärisch mit konsequenten Waffenlieferungen, aber auch mit Sanktionen, die wirklich wirken. Der russische Machthaber versteht keine Sprache so gut wie die des Geldes. Die Oligarchen sind es, die Einfluss auf ihn nehmen können. Sie sind es, die die Sanktionen spüren müssen. Nichts würde Putin so schmerzen wie der Verlust der Unterstützung durch seine reichen Freunde.

Unabhängig davon müssen sich die Regierungen in Europa darüber im Klaren sein, dass Wladimir Putin einen wie auch immer gearteten Deal ohnehin nur dazu nutzen würde, um weiter aufzurüsten. Wenn sich die EU-Mitgliedstaaten nicht auf Dauer darauf einigen können, dass die Unversehrtheit Europas unverhandelbar ist, dann lässt das Schlimmes befürchten für die Zukunft: für jene der Ukraine, für jene der so oft beschworenen „Wertegemeinschaft“.

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