Politik Zur Sache: Wer sitzt eigentlich in den Integrationskursen?

Ist es wirklich sinnvoll, dass im deutschen Integrationskurs der Bauarbeiter aus Bulgarien neben dem syrischen Ex-Studenten sitzt, der auf seiner monatelangen Flucht über die Türkei notgedrungen zur Muttersprache Arabisch und zum Englischen auch noch Türkisch gelernt hat? Der Beantwortung von Fragen wie dieser hat sich das in Mannheim angesiedelte Institut für Deutsche Sprache (IDS) gemeinsam mit dem dortigen Goethe-Institut gewidmet. In einer Studie, „die es so noch nicht gegeben hat“, wie Henning Lobin, IDS-Direktor, gestern betonte. Grundlage der Untersuchung ist die Befragung von 606 Teilnehmern aus verschiedenen Kursen. Je zur Hälfte waren es Geflüchtete und Teilnehmer aus Osteuropa und „sonstigen Ländern“. Der Titel der Studie: „Wer besucht den Integrationskurs?“ Seit 2015 sitzen zunehmend mehr Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Eritrea oder Afghanistan neben Bulgaren, Polen oder Rumänen, die zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind, auf den Bänken von Volkshochschulen, Goethe-Instituten oder privaten Sprachschulen. Allerdings bestehen im Schnitt nur noch 55 Prozent der Integrationskursteilnehmer die Abschlussprüfung. Vor fünf Jahren lag die Abschlussquote um fast zehn Prozentpunkte höher. Geprüft werden dabei Sprachkenntnisse, aber auch das Wissen über deutsche Kultur und Geschichte. Was also läuft schief? Sollten Einrichtungen in Deutschland, die Integrationskurse anbieten, ihre Kurszuschnitte vielleicht ändern? Mit solch grundlegenden Fragen zu Integrationskursen hat sich in der jüngsten Vergangenheit freilich kaum jemand beschäftigt. Diese Lücke schließt nun die Mannheimer Studie. Aus den Daten lassen sich Empfehlungen für Änderungen beim Kursangebot ableiten. Diese lauten: •Für die Zusammensetzung der Kurse ist die Nationalität weniger wichtig. Ausschlaggebend für mehr Erfolg ist eine ähnliche Altersstruktur sowie der Grad der Arbeits- und Bildungserfahrung. •Mit den oben genannten Faktoren lassen sich fünf unterschiedliche Typen von Menschen unterscheiden: 1. Durchstarter, 2. Hoffnungsträger (sie sind jung und clever, haben aber kaum berufliche Qualifikationen), 3. Unterprivilegierte, 4. Spätausgewanderte und 5. Langmigranten (leben schon länger in Deutschland; waren zuvor meist in anderen Ländern). Auf diese Typen sollten Integrationskurse künftig zugeschnitten werden, empfehlen die Mannheimer Wissenschaftler. •Sehr überrascht hat die Studienautoren, dass Englisch für die meisten Befragten als „Brückenfremdsprache“ kaum eine Rolle spielt. Viel wichtiger sind Türkisch, Arabisch, Griechisch, Italienisch und Spanisch. Sprachen also, mit deren Hilfe Zugewanderte in Deutschland die jeweiligen, schon lange existierenden Netzwerke für Tipps „anzapfen“ können.

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