Politik Steinmeier will in Paris deutsch-französische Achse betonen

Bundespräsident Steinmeier setzt mit seinem Antrittsbesuch in Paris am Tag nach dem Brexit ein Zeichen der Verlässlichkeit.

Gewiss, François Hollande hat Angela Merkel zur Begrüßung so manchen Wangenkuss verabreicht. Dann und wann hat Frankreichs Staatschef auch mal kurz den Arm um die deutsche Kanzlerin gelegt. Und wenn es Ärger gab, haben sich die zwei letztlich immer wieder zusammengerauft. Aber so selbstverständlich entspannt, wie es gestern zwischen dem Franzosen und dem neuen Bundespräsidenten zuging, war es bei den deutsch-französischen Gipfeltreffen selten. Frank-Walter Steinmeier und François Hollande kennen und schätzen einander schon lange. Im November 2011, ein halbes Jahr, bevor der Sozialist die Präsidentschaftswahl gewinnen sollte, war er beim SPD-Parteitag Gast von Steinmeier. Vier Jahre später, am 13. November 2015, durchlebten die beiden beim Fußballfreundschaftsspiel im Pariser Stade de France Seite an Seite schicksalsschwere Stunden. Schauplatz des ersten Attentats einer letztlich 130 Menschenleben fordernden Anschlagsserie in der Hauptstadt war das Stadion. Dass der Deutsche nun seine erste Auslandsreise als Bundespräsident nutzt, um die Beziehung „zu einem Freund und einem befreundeten Land“, wie Hollande treffend resümiert, weiter zu festigen, versteht sich da fast von selbst. Es lag aber auch unter politischen Gesichtspunkten nahe. Denn am Tag, nachdem Großbritannien offiziell den Austritt aus der EU erklärt hat, möchte Steinmeier außenpolitisch ein Zeichen setzen. Unter Goldstuck, Barockengeln und Kronleuchtern beschwört er im Elysée-Palast die besondere Verantwortung Deutschlands und Frankreichs, „das Erbe der Europäischen Union zu wahren und den Menschen Hoffnung auf eine europäische Zukunft zu geben“. Zur gelösten Stimmung mag beitragen, dass der Franzose nichts mehr zu verlieren hat. Mitte Mai endet Hollandes Amtszeit. Von den Meinungsforschern als unbeliebtester Präsident der Fünften Republik ausgewiesen, hat er für eine zweite Amtsperiode gar nicht erst kandidiert. Und auch wenn er das niemals so sagen würde: Er lässt es jetzt auslaufen. Hinzu kommt: Der 61-jährige Deutsche und der ein Jahr ältere Franzose passen vom politischen Naturell her bestens zueinander. Der ehemalige Chefdiplomat Steinmeier versteht es meisterhaft, nicht anzuecken. Zugleich reizt es ihn aber, im neuen Amt über den politischen Alltag hinaus richtungsweisende, staatsmännische Worte zu finden. Beides, die Fähigkeit, nicht anzuecken, die Fähigkeit zur über den Tag hinaus bedeutsamen Rede, zeichnet auch Hollande aus. Im Angesicht der Historie wuchs Hollande so manches Mal über sich hinaus, fand zu staatsmännischer Größe. Genützt hat es ihm allerdings wenig. Und so ist Steinmeiers Antrittsvisite nicht frei von Wehmut.

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