Politik Pussy Riot obsiegt gegen Putin

Russland hat die Menschenrechte dreier Mitglieder der Protest-Punkband Pussy Riot verletzt, als es diesen 2012 den Prozess machte. Und zwar gleich mehrfach. Moskau muss den Aktivistinnen nun Entschädigung zahlen – ebenso wie den Hinterbliebenen der 2006 erschossenen russischen Journalistin Anna Politkowskaja. Über beide Fälle hat gestern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geurteilt.
Nach der Aufführung eines „Punk-Gebets“ in der Moskauer Christus-Erlöser-Kathedrale hatten russische Richter die Aktivistinnen im Jahr 2012 zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt – wegen Rowdytums aus religiösem Hass. Eine der Frauen kam wenige Monate nach dem Urteilsspruch auf Bewährung frei. Im Dezember 2013 wurden die anderen beiden begnadigt. Die Straßburger Richter halten die Gefängnisstrafen für unzulässig. Sie seien hauptsächlich mit der bunten Kleidung der Aktivistinnen begründet worden und damit, dass die Frauen in der Kirche vor dem Altar mit den Armen gewunken, mit ihren Beinen in die Luft getreten und Kraftausdrücke gebraucht hätten. Den Text des „Punk-Gebets“ hätten die russischen Behörden dagegen gar nicht beachtet. Darin protestiert Pussy Riot gegen die Wiederwahl von Präsident Wladimir Putin. Es werde aber nicht zu Gewalt oder Hass aufgerufen, argumentiert der Gerichtshof. Nur dann wäre es demnach angemessen gewesen, die Meinungsfreiheit der Frauen in Form einer strafrechtlichen Verurteilung zu beschneiden. Außerdem wirft der Gerichtshof Russland vor, die Aktivistinnen während ihres Prozesses gedemütigt zu haben. Die Frauen mussten in von Sicherheitsleuten abgeschirmten Glaskästen aussagen und wurden zudem von einem Hund bewacht. Russland muss nun je 16.000 Euro Schmerzensgeld an zwei der Frauen zahlen, der anderen stehen 5000 Euro zu. Außerdem haben die drei Aktivistinnen Anspruch auf 11.760 Euro Schadenersatz. Das russische Justizministerium behielt sich vor, gegen das Urteil vorzugehen. Sowohl Russland als auch die drei Beschwerdeführerinnen können das Urteil innerhalb von drei Monaten anfechten. In dem Urteil zum Fall Anna Politkowskaja gab das Gericht der Mutter, der Schwester und den beiden Kinder der Journalistin Recht, die Moskau mangelhafte Ermittlungen vorwerfen. Ihnen muss Russland nun zusammen 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, weil auch das Straßburger Gericht schwere Ermittlungsmängel sah. Die damals 48-jährige Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 im Aufzug ihres Moskauer Wohnhauses erschossen worden. Sie war als scharfe Kritikerin von Präsident Wladimir Putin bekannt. Die russische Justiz hatte nach dem Mord zwar unverzüglich Ermittlungen eingeleitet und schließlich fünf Männer angeklagt. Zwei von ihnen wurden im Mai 2014 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, die anderen wegen Komplizenschaft zu Freiheitsstrafen zwischen zwölf und 20 Jahren. Bis heute ist aber unklar, wer den Mord in Auftrag gegeben hat. Die russische Regierung habe offensichtlich „eine Theorie“ entwickelt, wonach ein Geschäftsmann mit Wohnsitz in London der Drahtzieher gewesen sein soll, heißt es nun in dem Straßburger Urteil. Sie habe aber kein einziges Beweisstück für diese Theorie vorgelegt. Vor allem habe Russland nicht dargelegt, warum die Ermittler nur diese eine Spur verfolgten, rügten die Richter. Der Europäische Menschrechtsgerichtshof wacht über die Einhaltung der 1953 in Kraft getretenen Europäischen Menschenrechtskonvention. Ihr sind alle 47 Mitglieder des Europarats beigetreten, dessen Sitz direkt neben dem Gerichtshof in Straßburg ist. Russlands Stimmrechte in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ruhen jedoch seit 2014 als Strafe für die russische Annexion der Krim. Im Gegenzug verweigert Moskau derzeit dem Europarat fällige Beitragszahlungen. Für das Gesamtjahr 2018 sind von russischer Seite rund 33 Millionen Euro vorgesehen – das entspricht etwa einem Zehntel des gesamten Haushalts.