Politik Leitartikel: Religionsfreiheit für alle

Ja, man darf über Probleme bei Moscheen in Deutschland reden.

Aber Sondergesetze wie ein Islamgesetz kann es nicht geben.

Und für Probleme gibt es bessere Lösungen als Pauschalverbote. Im Kampf gegen Fundamentalisten braucht Deutschland die gemäßigten Muslime als Verbündete.

Man stelle sich einmal vor, morgen würde in der Bundesrepublik ein Christengesetz verabschiedet. Die Kirchen bekämen vom Staat vorgegeben, welchen Pfarrer sie zu beschäftigen haben. Wer eine Messe auf Lateinisch lesen lassen wollte, verstieße gegen das Gesetz. Predigten auf Kroatisch oder Russisch, wie sie teilweise auch in Kirchen der Pfalz gehalten werden, wären ab sofort verboten. Umgekehrt dürften deutsche Kirchen ihre Partner in Afrika nicht mehr unterstützen. Solche Regeln wollte das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn in ein Islamgesetz schreiben, und CDU-Vize Julia Klöckner hat ihm am Wochenende eifrig sekundiert: Verbot der Auslandsfinanzierung von Moscheen, dazu Einführung eines Moschee-Registers und alle Predigten nur auf Deutsch. Gut, dass die Bundesregierung gestern abgewinkt hat. Denn ein Islamgesetz wäre die falsche Antwort auf existierende Probleme. Unsere Verfassung ist weltanschaulich neutral und gewährt die Ausübung der Religion allen Menschen gleichermaßen. Ein Islamgesetz kann es so wenig geben wie ein Christen- oder ein Judengesetz. Das europaweit einzige Islamgesetz gibt es in Österreich. Das aber geht schon auf 1912 zurück, als Kaiser Franz Joseph I. seine frisch annektierten bosnischen Untertanen mit einem eigenen Rechtsstatus beruhigen wollte. In Deutschland käme kein Sondergesetz durch die Prüfung des Verfassungsgerichts. Und kein Bundesgesetz könnte die Kultushoheit der Länder wegwischen, von denen heute schon einige in Staatsverträgen Rechte und Pflichten von Muslimgemeinden geregelt haben. Bestehende Probleme mit Moscheen in Deutschland darf man nicht wegreden. Problem Nr. 1: Viele sind von außen beeinflusst. Die Mehrheit gehört zum Dachverband Ditib, der an der türkischen Religionsbehörde hängt. Die Import-Imame kommen nicht aus der deutschen Lebenswirklichkeit. Der Journalist Constantin Schreiber hat soeben in einem Buch dargelegt, wie rückwärtsgewandt die Freitagspredigten in deutschen Moscheen sind. Das ändert sich nur, wenn immer mehr Imame hier aufgewachsen und ausgebildet sind. Dazu braucht es kein Verbot. Die vier großen Islam-Verbände waren von Anfang an bereit, solche Leute zu übernehmen. Noch mangelt es aber an Personal. Erst vor vier Jahren richteten deutsche Universitäten Institute für Islamische Theologie ein – viel zu spät. Problem Nr. 2: Zu viele Moscheen hängen am Tropf ausländischer Gelder. Niemand kann wollen, dass die Staatsknete Erdogans oder die Petrodollars der Saudis mitbestimmen, wie in Deutschland der Islam gelehrt wird. Doch Moscheegemeinden leben hierzulande von Spenden, sie bekommen keine Kirchensteuern. Wer möchte, dass sie modern denkende Imame einstellen und selbst bezahlen, muss auch bei der Finanzierung helfen. Problem Nr. 3: Unter den muslimischen Moscheevereinen gibt es auch einige wenige gefährlich radikale. Um sie zu schließen und Hassprediger zu verfolgen, reichen bestehende Gesetze aber aus. Ein Verbot, in fremder Sprache zu predigen, hilft hier gar nicht: Gerade Salafisten predigen bevorzugt auf Deutsch. In Deutschland regelt der Staat sein Verhältnis zu Religionsgemeinschaften weniger mit Verboten als mit Angeboten wie Staatsverträgen oder der Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts. So führt er sie zur Gesellschaft hin und nicht von ihr weg. Das ist der richtige Weg. Denn im Kampf gegen Fundamentalisten braucht Deutschland die in der Mehrzahl gemäßigten Muslime als Verbündete.

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