Meinung Europawahl: Wer jetzt nicht aufwacht, verliert die EU
Dieser Wahlsonntag ist eine Zäsur in der Geschichte der EU: Europaweit sind die extremen Rechten im Aufwind. In Deutschland hat die AfD SPD und Grüne hinter sich gelassen. In Ostdeutschland sind die Populisten stärkste Kraft. Vielerorts haben Wähler einer Partei das Vertrauen geschenkt, deren Spitzenkandidat mutmaßlich vom chinesischen Volkskongress geschmiert wird, die der Ukraine die Kapitulation nahelegt, deren führendem Personal der eigene Geldbeutel wichtiger ist als das Wohlergehen von Oma Erna aus Thaleischweiler-Fröschen. Dieses Ergebnis, auch in Teilen der Pfalz, ist eine Katastrophe – für die EU, für Deutschland, für die Region.
Wer im Jahr 2024 die AfD wählt, gibt seine Stimme einer Partei, deren Mitglieder von Remigration schwadronieren und Goebbels zitieren. Deren Abgeordnete die EU aus dem Parlament heraus zerstören möchten. Deren Vordenker sich freuen über Rechtfertigungen wie „Protestwahl“ oder „Denkzettel“ – und ihre Zersetzungspläne munter vorantreiben. Zahlreiche Menschen schätzen die aktuelle Lage als so verheerend ein, dass sie zu glauben scheinen, ihr Leben würde mit Grenzkontrollen und Zöllen besser.
Stimmung ist gekippt
Der Erfolg der Populisten geht heim mit SPD, Grünen und FDP. Sie haben es der AfD historisch leicht gemacht, zu reüssieren: mit Uneinigkeit, zögerlicher Politik und fataler Nicht-Kommunikation. Die Stimmung vieler ist angesichts von ungewisser Wirtschaftslage und ungeklärter Migrationspolitik gekippt. So sehr, dass für sie selbst die schlechteste eine Alternative darzustellen scheint. Europa ist an diesem Sonntag ein Stück weit dunkler geworden.
Zur Analyse der Wahl gehört der deutliche Sieg der Christdemokraten dazu. Wähler von Parteien aus dem demokratischen Spektrum haben anerkannt, wie stark gerade wir von einem grenzenlosen Zusammenleben profitieren. Wie wichtig es in einer fragmentierten Welt ist, die Fahne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hochzuhalten. Wie dringend es in diesen Zeiten überzeugte Europäer braucht, die die Wertegemeinschaft mit gelebten Werten ausfüllen.
Rufe nach Neuwahlen werden kommen
In der Pfalz leben viele überzeugte Europäer. Die Verbundenheit mit Frankreich ist tief in ihrer Seele verankert. Pfälzer freuen sich über den Bäcker, der sonntags frische Croissants liefert, feiern mit Austauschschülern am Stockweiher das Leben. Sie beißen auf dem Kastanienfest im schönen Oberbronn in schmackhafte Würste, stoßen mit schwerem Vin Rouge an zu Chansons – und können sich an Schlagbäume und Wechselstuben kaum erinnern.
Die EU-freundlichen Parteien müssen diese überzeugten Europäer für sich gewinnen. Die Rahmenbedingungen sind nicht besser geworden. Die Rufe nach Neuwahlen in Deutschland werden kommen, die Ampel steht mehr denn je unter Druck. Die Landtagswahlen im Osten und damit das nächste Fiasko sind schon in Sichtweite.
EU ist in Bedrängnis
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat gesagt: „Europa kann sterben.“ Zurecht. Das wird nicht heute oder morgen passieren. Tage wie dieser Sonntag aber beschleunigen den Niedergang.
Wer den Staatenbund erhalten möchte, muss Gemeinsames betonen und stärken. Die EU ist in Bedrängnis. Sie ist nicht perfekt. Sie ist sperrig, von Bürokratie überladen und auf den ersten Blick weit weg von den Sorgen und Nöten der Menschen in Münchweiler an der Alsenz, Oggersheim oder Hanhofen. Aber sie ist ein Garant für Frieden. Für Freiheit. Für uns alle.
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Was macht das Europaparlament eigentlich genau? Und was bedeutet es, dass nun erstmals junge Menschen ab 16 Jahren wählen dürfen? Alle Infos rund um die Europawahl finden Sie unter rheinpfalz.de/europawahl