Politik Ein 31-Jähriger greift nach den Sternen

Am Samstag kürt die „Fünf-Sterne-Bewegung“ von Beppe Grillo ihren Spitzenkandidaten für die nächsten nationalen Wahlen. Die „Cinque Stelle“ sind derzeit mit rund 30 Prozent die stärkste politische Kraft in Italien. Ob sie je regieren wird, steht allerdings in den Sternen.

Das „V-Wort“ ist in Italien so etwas wie das „F-Wort“ in den USA. Man spricht das böse Wort in der Öffentlichkeit nicht aus – man deutet es höchstens an. Das lernt in Italien jedes Kind und jeder Zugezogene. In jüngerer Zeit kann hier schnell Verwirrung entstehen. Denn genau auf dem „V-Wort“ basiert die „Fünf-Sterne-Bewegung“. Sie gründete sich vor zehn Jahren nicht etwa auf einem Parteitag, sondern auf ihrem selbst ins Leben gerufenen „V-Day“. Zur Erklärung: Das „V“ steht einerseits für „Vaffanculo“ – und heißt so viel wie „Leck mich am Arsch!“ Das „V“ wird immer noch großgeschrieben im Parteinamen „MoVimento 5 Stelle“ („Fünf-Sterne-Bewegung“). Der Buchstabe steht andererseits aber auch für „Vittoria“, für „Sieg“. Siegen will nun Luigi Di Maio. Der Jungstar der Bewegung wird wohl am Samstagabend in Rimini bei der dreitätigen Versammlung der Bewegung zum Spitzenkandidaten für die kommenden nationalen Wahlen gekürt. Diese werden spätestens im Frühjahr 2018 stattfinden. Außer dem 31-Jährigen stehen noch sieben andere aus der Bewegung zur Wahl, allerdings keiner aus der vordersten Reihe. Viele Mitglieder der „Fünf Sterne“ haben bereits über das soziale Netzwerk Facebook ihren Unmut über die Abstimmung dokumentiert. Von einer Wahl „wie in Nordkorea“ ist unter anderem die Rede. Dass Beppe Grillo, der Mitbegründer und Chef der „Fünf Sterne“, den jungen Di Maio ins Rennen schicken würde, ist keine Überraschung. Damit war schon lange gerechnet worden. Grillo selbst darf nämlich nicht für ein politisches Amt kandidieren: Er ist wegen fahrlässiger Tötung vorbestraft. 1981 kam Grillo mit seinem Jeep von der Straße ab, drei Insassen starben. Ironischerweise könnte der Unterschied zwischen dem Komiker Grillo und dem zu wählenden Kandidat Di Maio kaum größer sein. Grillo, der 69-jährige Kopf der Bewegung, fällt durch lautes Gezeter und zugespitzte Äußerungen auf. Di Maio hingegen tritt konservativ und bieder auf. Er stammt aus Neapel, hat sein Jurastudium nie abgeschlossen. 2013 zog er für die „Fünf-Sterne-Bewegung“ ins Parlament ein, dem er als Vizepräsident vorsitzt – er ist der Jüngste auf diesem Posten in der Geschichte der italienischen Republik. Nun sind die 130.000 auf einer Online-Plattform registrierten Mitglieder der Fünf Sterne aufgerufen, ihren Kandidaten für die Wahl zu wählen. Auch andere Beschlüsse werden bei den „Cinque Stelle“ auf diese Weise, also online, gefällt. Parteitage gibt es keine. So soll direkte Demokratie gelebt werden. Doch wie demokratisch diese Art der Abstimmung wirklich ist, weiß keiner so genau. Die Online-Plattform „Rousseau“, auf der die Wahlen per Mausklick stattfinden, wird von der Firma „Casaleggio Asscociati“ betrieben. Dem Unternehmen saß bis zu seinem Tod im Jahr 2016 der Mitbegründer der „Fünf Sterne“, Gianroberto Casaleggio, vor. Heute leitet dessen Sohn Davide die Bewegung, die keine Partei sein will. Die Daten der Abstimmungen sind im Besitz dieser Firma. Auch in der Vergangenheit hatte es bereits Querelen um die Online-Abstimmung gegeben. Als Grillo der über die Online-Plattform ausgewählte Bürgermeister-Kandidat für seine Heimatstadt Genua nicht passte, kürte er einfach seinen Favoriten Luca Pirondini zum Kandidaten. Mit dem Argument: „Vertraut mir!“

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