Politik Drei Länder und eine einsame Kanzlerin

Im Streit um die Asylpolitik geht Innenminister Horst Seehofer (CSU) nun eigene Wege. Er bereitet eine Allianz mit den Rechtspopulisten in Österreich und Italien vor. Die Kanzlerin weiß davon zunächst nichts.

Man kann in diesen Tagen im Berliner Regierungsviertel CDU-Abgeordnete treffen, die sehr nachdenklich ihr Haupt wiegen. „Das ist eine ernste Sache, verdammt ernst“, sagt einer, der nicht zitiert werden will. Am Vorabend hat er erlebt, wie kein einziger CDU-Abgeordneter in der Unions-Fraktionssitzung der Kanzlerin den Rücken stärkte, als es um den Streit mit Horst Seehofer über die Flüchtlingspolitik ging. Eine ernste Sache ist das deshalb, weil sich Seehofer gerade von der Kanzlerin auf eine Weise absetzt, die manche schon von einer Staatskrise sprechen lässt. Andere orakeln, es werde wohl zu einer „Vertrauensabstimmung“ über die Kanzlerin kommen, wenn der Streit nicht gelöst werde. Während Merkel sich gestern im Kanzleramt mit muslimischen Verbänden über Integration unterhält, sucht sich ihr Vizekanzler außerhalb Deutschlands Verbündete, um seine Position in der Flüchtlingspolitik zu stärken. Hatte Seehofer bisher lediglich seine CSU-Mannen und etliche aus der CDU hinter sich, weiß er seit gestern auch Österreichs ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistisch-fremdenfeindlichen Lega Nord an seiner Seite. Seehofer erzählt in der Pressekonferenz mit Kurz, in einem Telefonat habe Salvini den Wunsch geäußert, dass Rom, Wien und Berlin auf der Ebene der Innenminister bei „der Frage der Sicherheit, des Terrorismus und der Zuwanderung“ zusammenarbeiten sollten. „Wir haben das ausgetauscht und wir werden das vorantreiben“, sagt Seehofer. Im Kampf gegen illegale Migranten brauche es diese „Achse der Willigen“, ergänzt Kurz. Merkels Sprecher Steffen Seibert zeigt sich kurz darauf überrascht vom Seehofer-Kurz-Plan mit Österreich und Italien. Auf eine entsprechende Frage sagt er, er kenne diesen Vorstoß noch nicht. Merkel muss das als Affront begreifen, zumal Seehofer sie gestern auch nicht zum Integrationsgipfel begleitete mit der Begründung, eine Teilnehmerin habe ihn im Vorfeld mit dem nationalsozialistischen Heimatbegriff von „Blut und Boden“ in Verbindung gebracht. Seehofer dürfte dafür viel Verständnis ernten, mit den derzeitigen Streitigkeiten über die Abweisung bestimmter Asylbewerber an deutschen Grenzen hat das indes nichts zu tun. Weil sich die Dinge aber zeitlich überlagern, entsteht der Eindruck, Seehofer suche geradezu den Konflikt mit Merkel. Im Merkel-Lager hat man die vage Hoffnung, den Streit über die Grenzen könne man beim Treffen der Staats- und Regierungschefs Ende Juni im Europäischen Rat klären. Doch so lange will Seehofer nicht warten. „Innerhalb dieser Woche werden wir auf jeden Fall eine Lösung finden“, sagt er. Und es klingt wie eine Drohung. Seehofers Ziel ist es, in Zukunft Asylbewerber an der deutschen Grenze abzuweisen, wenn sie bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden. Dieses sogenannte Dublin-Verfahren wurde in der Flüchtlingskrise ausgesetzt und soll Teil des von Seehofer noch unter Verschluss gehaltenen „Masterplans“ sein. In der Union gibt es große Sympathien für diese Lösung, die insbesondere die Dublin-Wiederholer betreffen soll. Das sind jene Menschen, die schon einmal wegen einer Dublin-Zuständigkeit überstellt wurden und erneut an der deutschen Grenze auftauchen. Merkel hingegen hält eine europäische Lösung besser als eine rein nationale, weil sie den Domino-Effekt fürchtet: Würden Flüchtlinge abgewiesen, bekäme beispielsweise Österreich ein Problem. Darauf angesprochen, antwortet Österreichs Kanzler Kurz ausweichend: Er wolle sich nicht in eine innerdeutsche Diskussion einmischen. Es sind entscheidende Tage für die Bundesregierung, die nun folgen werden. Der Südpfälzer CDU-Abgeordnete Thomas Gebhart setzt auf die Kompromissfähigkeit der Beteiligten, hält sich mit Forderungen aber höflich zurück: „Ich erwarte und ich vertraue auf Angela Merkel und Horst Seehofer, dass sie sich sehr bald auf ein gemeinsames, abgestimmtes Maßnahmenpaket einigen.“

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