Meinung Die Ukraine braucht einen Waffenstillstand

Auf dem Friedhof der Hafenstadt Odessa stellen Hinterbliebene am Grab eines gefallenen Soldaten die ukrainische Nationalflagge a
Auf dem Friedhof der Hafenstadt Odessa stellen Hinterbliebene am Grab eines gefallenen Soldaten die ukrainische Nationalflagge auf.

In der atemlos geführten Debatte über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine tut es gut, wenn die Frage nach einem Waffenstillstand aufgeworfen wird.

Seit dem 24. Februar 2022 sind die Bilder von zerstörten Panzern, Leichen an Straßenrändern und Schützengräben fester Bestandteil der Nachrichten. Im Bewusstsein der Deutschen, die sich einst umzingelt von Freunden wähnten, macht sich Angst breit vor einer Ausweitung der Eskalation in der Ukraine, die der russische Aggressor namens Putin ausgelöst hat. Man fragt sich: Wie lange soll das noch gehen?

Wenn die Informationen stimmen, die aus der Ukraine kommen, dann ist das Land auf der ganzen Linie in der Defensive. Jeden Tag gibt es Verluste, jeden Tag sterben ukrainische Soldaten an der Front. Die Ukraine möge den Krieg „nicht verlieren“, sagt der Bundeskanzler. Von Sieg spricht er vorsichtshalber nicht, denn er weiß, dass Russlands Stärke nicht zu unterschätzen ist. Und er weiß um die Zurückhaltung der Europäer, was die Waffen- und Munitionslieferungen an das angegriffene Land angeht.

Ein hoffnungsloser Kampf

Dort kämpft eine ausgeblutete Truppe einen hoffnungslosen Kampf. Wenn die USA unter einer möglichen Präsidentschaft von Donald Trump ihre lebenswichtige Unterstützung beenden würden, wäre für die Ukraine nichts mehr zu gewinnen, aber viel zu verlieren – selbst wenn Deutschland weiterhin Milliarden für den Kampf in der Ukraine ausgibt.

Wer vor diesem traurigen Hintergrund die kreuzvernünftige Frage aufwirft, ob es Wege geben könnte, diesen Krieg „einzufrieren und später auch zu beenden“, wie dies der SPD-Politiker Rolf Mützenich im Bundestag erklärte, hat zumindest Anspruch auf eine sachliche Debatte. Doch die Reaktionen spiegeln eine Empörung wider, als ob Mützenich eine von Putin persönlich verfasste Rede verlesen hätte. Ein Kommentator bezeichnete den Bundestagsabgeordneten als „eine verächtliche Figur der deutschen Politik“. Eine Nummer kleiner ging es offensichtlich nicht.

Der „eingefrorene“ Irrsinn

In der Kritik an Mützenich ist auch eine gute Portion Heuchelei verborgen. Denn es ist bekannt, dass es derzeit internationale Bemühungen gibt, ein Friedensgespräch auf neutralem Boden mit Vertretern der kämpfenden Nationen in die Wege zu leiten. Gerade die Außenministerin weiß das, schüttelte aber auf der Regierungsbank bei Mützenichs Worten demonstrativ den Kopf. Ohne Szenarien, die über das rein Militärische hinausgehen, wird dieser Krieg ein dauerhafter Irrsinn bleiben, ein „eingefrorener“ Irrsinn, sozusagen.

Um das Leid der Menschen in der Ukraine nicht zu verlängern, müssten vermutlich bittere territoriale Zugeständnisse gemacht werden. Vor allem aber muss eine Wiederholung des Fehlers von 2014 ausgeschlossen werden, als Russland das Minsker Abkommen nutzte, um sich neu zu sortieren und später anzugreifen. Das bedeutet zwangsläufig auch, die Sicherheit der Ukraine militärisch zu gewährleisten, das Land hochzurüsten. Weitere Waffenlieferungen wird es also geben, doch die Ukraine könnte wieder zu sich kommen.

Die Einlassung Mützenichs ist sicherlich alles andere als ein Lösungsvorschlag, das sollte er auch nicht sein. Sie ist ein Denkanstoß für eine Debatte, die sich nicht nur allein um ein Waffensystem dreht – oder den Einsatz europäischer Bodentruppen, um den absurdesten Vorschlag nicht zu vergessen.

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