Politik Die Berater-Armee der Ministerin

Externer Sachverstand kann in der Politik ausgesprochen nützlich sein. Wenn die Einschaltung von Beratern begründet und wirtschaftlich vertretbar ist, senkt niemand im Haushaltsausschuss des Bundestages den Daumen. Doch was sich im Verteidigungsministerium als offenbar gängige Praxis eingebürgert hat, sprengt den Rahmen solcher Aufträge bei Weitem. Dem Rechnungshof geht der großzügige Umgang mit Beraterverträgen im Hause der Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) schon länger gehörig gegen den Strich. In den Jahren 2015 und 2016 umfassten diese Beraterverträge ein Volumen von 250 Millionen Euro, deutlich mehr als üblich und deutlich mehr als in den Haushaltsplänen unter diesem Stichwort vorgesehen ist. Nun aber kommen neue Vorwürfe hinzu: Nach Informationen des „Spiegel“ prüft die Staatsanwaltschaft Berlin, ob der dauerhafte Einsatz von Unternehmensberatern im Wehrressort den Tatbestand der vorsätzlich verursachten Scheinselbstständigkeit erfüllt. Als scheinselbstständig bezeichnet man Personen, die zwar als selbstständige Unternehmer auftreten, aber nur einen Auftraggeber haben. Wenn der Berater dann auch noch so arbeitet wie jeder andere Mitarbeiter im Betrieb, liegt der Verdacht nahe, dass sich der Arbeitgeber die Abgaben an die Sozialkassen sparen will. Ein Arbeitgeber kann dafür juristisch belangt werden. Darauf deutet der Umgang mit Externen im Verteidigungsministerium hin: Berater hatten eigene Zimmer im Haus mit einem Namensschild, ihnen wurde eine Mailadresse des Ministeriums zugeteilt, und sie standen im internen Telefonverzeichnis. Manche sollen über amtliches Briefpapier und einen Zugang zum sensiblen Bereich des Intranets der Behörde verfügt haben. „Dienstpostenähnliche Beschäftigungsverhältnisse“, heißt das im Arbeitsrecht. Die Tagessätze betrugen bis zu 1700 Euro. Das sei mittlerweile abgestellt, versichert ein Ministeriumssprecher, womit der Rückschluss gezogen werden kann, dass es diese Zustände tatsächlich gegeben hat. Angeblich hat das Ministerium bereits sechs externe Unternehmensberater an die Rentenversicherung gemeldet. Sie hatten monatelang an einem IT-Projekt gearbeitet. Insgesamt sollen von einer Arbeitsgruppe 400 Einzelverträge unter die Lupe genommen werden. Ein weiterer Vorwurf zu der Berater-Armee der Ministerin: Insider sprechen von einem „Buddy-System“, das die Auftraggeber im Ministerium mit den externen Beratern verband. So bemängelten die Leute vom Rechnungshof Verstöße gegen Vergaberichtlinien. Aufträge wurden freihändig vergeben – ohne Ausschreibung also –, und zwar in manchen Fällen auch an gute Bekannte der Beratungsindustrie um McKinsey und Price-Waterhouse-Cooper. Die Rechnungsprüfer vermissten auch oftmals die Begründung für die Beauftragung eines Beraters, manchmal wurde schlichtweg vergessen zu erklären, warum der Auftrag wirtschaftlich vertretbar sei. In einem nachgewiesenen Fall wurde ein Berater aus einem Topf des Bundes bezahlt, der für das Thema gar nicht vorgesehen war. Es geht um Leistungen für die Modernisierung der nichtmilitärischen IT-Systeme der Bundeswehr. Konkret handelt es sich um Beraterkosten in Höhe von acht Millionen Euro. Ein anderer Fall tangiert auch die unmittelbare Nachbarschaft zur Pfalz. Für den geplanten Verkauf der drei Bundeswehr-Panzerwerkstätten – eine davon im saarländischen St. Wendel – hat das Verteidigungsministerium für 42 Millionen Euro externe Berater eingekauft, freihändig, ohne europaweite Ausschreibung. Der Saarländische Rundfunk hatte darüber zuerst berichtet. Der Sender beruft sich ebenfalls auf den Bericht des Rechnungshofes. Der Verkauf der Werke ist für 2020 geplant, bis dahin laufen die Honorare der Berater. Ob die Werkstätten tatsächlich privatisiert werden, scheint jedoch fraglich, eine Mehrheit scheint es im Bundestag dafür nicht zu geben. Für von der Leyen stehen die Vorwürfe in einer Reihe von Pannen und Problemen des Ministeriums. Allein bei den Rüstungsprojekten hakt es an vielen Stellen. So ist derzeit nur ein Drittel der 128 Eurofighter einsatzbereit, die Auslieferung des Airbus-Militär-Transporters A400M verzögert sich erheblich, ein Nachfolgemodell für die von Vorgänger Thomas de Maizière gestoppte Aufklärungsdrohne Euro-Hawk ist noch nicht verfügbar, und noch immer gibt es keinen adäquaten Ersatz für das angeblich mangelhafte Sturmgewehr G36. Am Donnerstag im Haushaltsausschuss des Bundestages musste von der Leyen auf Drängen des Grünen-Verteidigungsexperten Tobias Lindner (Wörth) weitere Fälle von fragwürdigen Beraterverträgen einräumen. Die Ministerin erhielt nach Angaben von Teilnehmern wenig Rückendeckung von Unionsabgeordneten. Lindner sagte danach: „Es stehen nach wie vor zahlreiche Fragen unbeantwortet im Raum über Umfang des Einsatzes Externer, über Vergabeverstöße, über Seilschaften zwischen Ministerium und Externen.“ Die Ministerin müsse nun nicht nur zügig aufklären, sondern auch aufzeigen, wie die Bundeswehr künftig ihre Aufgaben wieder selbst erledigen und die Beratung und Unterstützung von außen auf ein notwendiges Minimum reduzieren könne. Sollte von der Leyen weiter auf „Vertuschung und Abwiegeln“ setzen und Akteneinsicht verweigern, sei ein Untersuchungsausschuss „unumgänglich“, drohte der Südpfälzer Grünen-Politiker. Auch in den Reihen des Koalitionspartners SPD bröckelt der Rückhalt für die Ministerin. Der Südpfälzer SPD-Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler gibt sich ungeduldig: „Der Einsatz externer Berater kann nur eine Kurzfristlösung sein, um im begründeten Ausnahmefall einen bestehenden Personalbedarf zu decken. Solche Kurzfristlösungen werden leider schon viel zu lange gefahren.“ Die Folge sind nach Hitschlers Auffassung „Abhängigkeiten und Intransparenz“. Die bundeswehreigene Expertise müsse gestärkt werden durch neues Personal und Karrieremöglichkeiten für Seiteneinsteiger.

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