Politik Die AfD im Nacken

Auf dem Landesparteitag der sächsischen CDU in Löbau soll der langjährige Generalsekretär Michael Kretschmer morgen den scheidenden Landesvorsitzenden Stanislaw Tillich beerben. Dieser tritt zurück wegen der hohen Verluste der CDU bei der Bundestagswahl, als die AfD stärkste Kraft in Sachsen wurde.

Den Neustart hat sich Kretschmer gewiss anders vorgestellt. Kaum hatte ihn Tillich als „die neue und frische Kraft“ der Sachsen-Union auf den Schild gehoben, da gab es für den 42-Jährigen eine unangenehme Nachricht: Siemens will in Deutschland zwei große Standorte schließen, beide in Sachsen. Neben Leipzig ist auch das Werk in Kretschmers Heimatstadt Görlitz betroffen, es geht um fast 1000 Arbeitsplätze, die Jobs in den Zulieferbetrieben nicht mitgerechnet. Für die östlichste Stadt Deutschlands in der strukturschwachen Region ist dies eine weitere Hiobsbotschaft. Sie bestärkt die 56.000 Einwohner in dem Gefühl, abgehängt und benachteiligt zu sein. Kretschmer hat bei der Bundestagswahl erlebt, wie Stimmung sich in Stimmen ausdrückt: Nach 15 Jahren im Bundestag verlor der sächsische CDU-Generalsekretär sein Direktmandat an einen bis dahin nahezu unbekannten Malermeister von der AfD. Noch 2013 hatte er hier satte 49,6 Prozent geholt – und vier Jahre später siegesgewiss auf einen Platz auf der CDU-Landesliste verzichtet. Ministerpräsident Tillich gab im September nach neun Jahren auf, weil die AfD im Freistaat mit 27 Prozent knapp stärkste Partei wurde. Besser schnitten die Rechtspopulisten in keinem anderen Bundesland ab. In Kretschmers Wahlkreis erzielten sie sogar 32,9 Prozent, in manchen Dörfern an der Neiße über 40 Prozent. Seit 27 Jahren regiert die Union den Freistaat. Sachsen ist Deutschlands Musterknabe in Sachen solider Haushaltsführung. Die Staatsregierung ignorierte aber die Sorgen und Bedürfnisse der Menschen, investierte in großem Stil nur in die drei großen Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz. „Wir werden neue Wege gehen“, versprach Kretschmer jetzt bei seiner Vorstellungstour durch die CDU-Kreisverbände. Kretschmer ist ein Hoffnungsträger – jung und zugleich erfahren in der Politik. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur, der am kommenden Mittwoch auch zum sächsischen Ministerpräsidenten gewählt werden soll, hat für Reformen aber nicht viel Zeit. Im Sommer 2019 steht die nächste Landtagswahl an.

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