Politik Corona-Protest: Einfache Erklärungen und Feindbilder

In Stuttgart demonstrierten am Wochenende Menschen gegen die Corona-Beschränkungen.
In Stuttgart demonstrierten am Wochenende Menschen gegen die Corona-Beschränkungen.

Fragen & Antworten: Bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen kommen sehr unterschiedliche politische Milieus zusammen. Sie verbünden sich mit Verschwörungstheoretikern und Corona-Müden. Was ist bedenklich daran?

Wogegen richten sich die Proteste?
Die Mobilisierung begann mit den strengen Corona-Maßnahmen und Kontaktbeschränkungen. Dagegen richtet sich der Protest vieler Demonstranten, obwohl es mittlerweile erhebliche Lockerungen gibt. Menschen gehen auch auf die Straße, weil sie Angst um ihren Job und die Zukunft haben. Andere hängen Verschwörungstheorien nach, wonach etwa die Corona-Pandemie von Microsoft-Gründer und Milliardär Bill Gates oder anderen bösen Mächten bewusst ausgelöst worden sei, um die Menschen zu kontrollieren. Ein erheblicher Teil äußert Unmut über die Einschränkungen der Grundrechte und spricht gar von einer „Diktatur des Staats“.

Gibt es Hochburgen des Protests in Deutschland?
Nach den ersten „Hygienedemos“ in Berlin ziehen sich die Proteste mittlerweile durch ganz Deutschland. Die größten Demonstrationen gab es unter anderem in der Hauptstadt, in Stuttgart und München. Aber auch in zahlreichen anderen großen und kleineren Städten wie im sächsischen Pirna, in Gütersloh, Wismar oder Plauen treffen sich teils hunderte Menschen zu sogenannten Spaziergängen.

Wer steht hinter den Demonstrationen?
Das ist oft nicht erkennbar, weil die Proteste nicht immer angemeldet sind. Als einer der Wortführer agiert die selbsternannte Partei „Widerstand 2020“. Teilweise kommen die Anmelder aber auch aus den Reihen von AfD und NPD. In Chemnitz etwa setzten sich Rechtsextremisten an die Spitze, in Dortmund unterwanderten sie Demos. Mobilisiert wird vor allem über die sozialen Netzwerke wie Facebook oder Messengerdienste.

Der Chemnitzer Politikwissenschaftler Tom Mannewitz sieht auch Parallelen zur Pegida-Bewegung. Auch hier seien anfangs „besorgte Bürger“ zusammengekommen, um zu demonstrieren, sagte er im Deutschlandfunk. Im Lauf der Zeit sei der Kreis der Demonstrierenden dann kleiner, homogener und politisch radikaler geworden.

Was macht die Demonstrationen so bedenklich?
Zum Teil wird die Gefährlichkeit des neuartigen Coronavirus geleugnet, ein Mund-Nase-Schutz wird abgelehnt, Abstände werden nicht eingehalten. Das erhöht die Infektionsgefahr. Zudem warnen Politiker und Experten vor einer zunehmenden Vereinnahmung der Proteste durch Extremisten. Die Krise werde auch dazu benutzt, „um Menschen gegeneinander, gegen die Wissenschaft und gegen politische Verantwortungsträger aufzubringen“, erklärte Matthias Quent, Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft.

Auch der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, beobachtet Versuche des rechten Spektrums, Unmut aus bürgerlichen Kreisen „zu kapern“. Der Protestforscher Simon Teune sieht gleichwohl nur ein „begrenztes Mobilisierungspotenzial für eine neue Bewegung“. Je mehr die Demonstrationen „von Verschwörungsglauben und Rechtsextremen geprägt werden, desto abschreckender werden sie für Menschen, die die Corona-Maßnahmen kritisieren“, sagte er der „taz“.

Wie reagieren die Sicherheitsbehörden?
Nicht genehmigte Demonstrationen werden von der Polizei in der Regel verboten und aufgelöst. Allerdings zeigen sich die Protestler oft renitent. Vielerorts gab es vorläufige Festnahmen. Ermittelt wird unter anderem wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, gegen das Infektionsschutzgesetz oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

In zahlreichen Fällen gab es gewalttätige Angriffe auf Polizisten und Medienvertreter.

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