Politik Blickpunkt: Nach der Wahl: Petry verhagelt der AfD die Ernte

Nichts deutete darauf hin, dass in wenigen Minuten nie Dagewesenes geschehen würde. Die Bundespressekonferenz in Berlin war rappelvoll. Ganz so, als wollte die Bundeskanzlerin ihre Sommerpressekonferenz abhalten. Fotografen und Kameraleute rangelten um die aussichtsreichsten Plätze, wie immer. Dann sprach Alice Weidel, eine der AfD-Spitzenkandidaten. Die AfD wolle sich im noch zu konstituierenden Bundestag als echte Oppositionspartei positionieren, die die Bundesregierung auch kontrolliere, verkündete Weidel. „Das ist in den vergangenen Jahren sträflich vernachlässigt worden, das wird sich ändern.“ Der zweite Spitzenkandidat, Alexander Gauland, erinnerte an die parlamentarischen Redeschlachten in längst vergangenen Zeiten mit den Altvorderen Herbert Wehner (SPD) und Franz Josef Strauß (CSU). Die AfD wolle dazu beitragen, dass der Bundestag wieder ein Resonanzboden für gesellschaftliche Entwicklungen werde. Was die Großkopferten halt so sagen, wenn der Himmel voller Geigen hängt und ihre Partei mit viel Rückenwind in den Bundestag einzieht. Doch dann der Auftritt der Frauke Petry. Die ist neben Jörg Meuthen Parteichefin. Sie hatte sich zuletzt rar gemacht in der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Ihre Ausführungen schienen allerdings wohlvorbereitet. Sie führten argumentativ zielgerichtet auf den Eklat hin. Denn Petry erinnerte an das Jahr 2013. Damals habe die AfD den Anspruch formuliert, schnell regierungsfähig zu werden. „Das ist nach wir vor mein Anspruch“, so die Vorsitzende. Aber darüber gebe es in der AfD einen Dissens. Während Gauland und Weidel harte Opposition machen wollen, will Petry „aktiv gestalten“ und „Realpolitik im guten Sinne einer konservativen Politik“ machen. Eine „anarchische Partei“ könne dem Wähler kein glaubwürdiges Angebot zur Regierungsübernahme machen. Deswegen werde sie der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören. Rumms! „Ich bitte um Verständnis, dass ich dazu keine weiteren Fragen beantworten werde“, sagte sie. Dann stand sie auf – „Ich werde jetzt diesen Raum verlassen.“ Sprach’s und ging. Dass der Leiter der Pressekonferenz, Timot Szent-Ivanyi, Petrys Verhalten auf das Schärfste missbilligte, interessierte sie nur mäßig. Sie verließ den Saal. Gauland hernach gelassen dazu: „Unsere Partei ist ein gäriger Haufen. Jetzt ist jemand obergärig geworden.“ Schmunzeln im Saal. Es ist nicht das erste Mal, dass Petry quer steht zur Partei. Auf dem Parteitag in Köln im April hatte sie ähnliche Vorstellungen vorgetragen – und wurde von ihren Mitstreitern in den führenden Gremien der Partei auf offener Bühne abgewatscht. Daraufhin zog sie sich beleidigt zurück. Sie nahm nach Aussagen Meuthens danach kaum noch an Vorstandssitzungen und Telefonschalten teil. Und das hatte nach dieser Lesart nicht nur etwas damit zu tun, dass Petry zu jener Zeit hochschwanger war und inzwischen einen Sohn geboren hat. Auch weil sich Petry den Journalistenfragen entzog, war zunächst unklar, was ihre Ankündigung bedeutet. Will sie nicht Teil der Fraktion sein, ihr sächsisches Direktmandat aber dennoch wahrnehmen? Oder verzichtet sie ganz auf ihr Mandat? Meuthen, Weidel und Gauland wussten es auch nicht. Sie beteuerten, Petrys Schritt sei mit ihnen vor der Pressekonferenz nicht abgesprochen gewesen. Meuthen entschuldigte sich bei der Bundespressekonferenz für Petrys Verhalten. Die AfD-Chefin sagte später, sie wolle „vorerst als fraktionslose Abgeordnete“ tätig sein. Der von der Vorsitzenden ausgelöste Eklat verhagelte der AfD gestern den Auftritt. So ging fast unter, dass sie gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode einen Untersuchungsausschuss beantragen will. Er solle sich mit den von der AfD konstatierten „Rechtsbrüchen“ der Bundesregierung in Sachen Euro-Rettung und Flüchtlingspolitik befassen, sagte Weidel. Ob das allerdings klappt, ist offen. Denn für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses muss mindestens ein Viertel der Bundestagsabgeordneten votieren. Das heißt: Die AfD wäre auf die Unterstützung anderer angewiesen. Bisher haben allerdings die anderen Fraktionen eine Zusammenarbeit mit der AfD abgelehnt.

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