Politik "AKK" geht nach Berlin: Unaufgeregt und zugewandt

Vergangenheit und Zukunft: Zu Beginn der gestrigen CDU-Vorstandssitzung stehen Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mitte), Annegret K
Vergangenheit und Zukunft: Zu Beginn der gestrigen CDU-Vorstandssitzung stehen Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mitte), Annegret Kramp-Karrenbauer, Saarlands Ministerpräsidentin und vorgeschlagene CDU-Generalsekretärin, und ihr Vorgänger Peter Tauber zusammen.

Berliner Ambitionen hat Annegret Kramp-Karrenbauer stets ins Reich der Fabeln verwiesen. Doch jetzt hat CDU-Chefin Angela Merkel die 55-Jährige als neue Generalsekretärin der Christdemokraten vorgeschlagen. Sie löst den glücklosen Peter Tauber ab. Der Politikbetrieb in der Hauptstadt wird sich an den uneitlen Stil der saarländischen Ministerpräsidentin gewöhnen müssen.

Annegret geborene Kramp, verheiratete Karrenbauer – auch nach bald sieben Jahren als Ministerpräsidentin des Saarlandes lässt der sperrige Name Talkshow-Moderatoren und Nachrichtensprecher stolpern. Während man sich in ihrer saarländischen Heimat – kommt die Rede auf die 55-Jährige – auf die Abkürzung „AKK“ geeinigt hat, wird man sich in den Berliner Redaktionen an den ganzen Namen und den Stil der Frau aus Püttlingen im Saarland wohl erst gewöhnen müssen. Unaufgeregt, zugewandt, verbindlich, eher leise denn laut – Adjektive, die Kramp-Karrenbauer bestens beschreiben. Fehlt noch: entscheidungsfreudig. Gleich nach dem Studium in Trier stieg sie mit einem Magisterabschluss der Politikwissenschaften und des öffentlichen Rechts in die Landespolitik ein. 1991 wurde sie Grundsatzreferentin der Saar-CDU. Als ihr politischer Lehrmeister Peter Müller 1999 mit knapper Mehrheit die Ära des SPD-Politikers Oskar Lafontaine im Saarland beendete, die Staatskanzlei für die CDU zurückeroberte, zog AKK in den Landtag ein. Und wurde ein Jahr später bereits Deutschlands erste Innenministerin. Im Nachhinein erscheinen die weiteren Stationen ihres Lebenslaufes wie ein einziger Vorbereitungskurs auf das im Jahr 2011 übernommene Ministerpräsidentenamt: 2007 Bildungsministerin, 2009 Arbeits- und Sozialministerin, 2011 Justizministerin. Als im selben Jahr Peter Müller als Ministerpräsident zurücktrat, um sich für seinen Traumjob des Bundesverfassungsrichters frei zu machen, war AKK erneut zur Stelle. In einem kurzen parteiinternen Duell behauptete sie sich gegen Stephan Toscani. Ein halbes Jahr nach ihrer Wahl zur Regierungschefin setzte Kramp-Karrenbauer dann schon alles aufs Spiel. Nach ausgiebigen Spaziergängen mit ihrem Mann Helmut an der französischen Nordsee-Küste – wie sie später erzählte – ließ sie das von Peter Müller übernommene Jamaika-Bündnis platzen. Bis heute trägt ihr das die Saar-FDP nach. Auch Kanzlerin Angela Merkel soll über die Entscheidung nicht amüsiert gewesen sei. „Da habe ich einige Schrei-Eulen empfangen“, erzählte Kramp-Karrenbauer, die Harry-Potter-Liebhaberin. Kramp-Karrenbauer setzte, wie bei der Landtagswahl 2017 noch einmal, alles auf eine Karte – und gewann. „Meine politische Karriere hätte damals schnell zu Ende sein können“, sagte sie später. Aber beide Male siegte sie klar, im März 2017 sogar mit elf Prozentpunkten Vorsprung vor der SPD, mit der sie seit 2012 in einer großen Koalition das Saarland regiert. Mit ihrem Wahlsieg konnte sie den „Schulz-Zug“, der die SPD ins Kanzleramt führen sollte, stoppen und so auch eine Grundlage für die nachfolgenden CDU-Erfolge in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen legen. Das verschaffte der stets unaufgeregt, vollkommen uneitel auftretenden Frau aus dem Saarland, seit 2015 Präsidentin des Volkshochschulverbandes, bundesweit Respekt unter den CDU-Granden. Ambitionen, nach Berlin wechseln zu wollen, tat sie aber stets mit dem Hinweis ab, „dass wir Saarländer doch dort oben schon gut vertreten sind“. In der Tat hat der kaum 20.000 Mitglieder zählende CDU-Landesverband mit dem langjährigen Kanzleramts-Chef Peter Altmaier Gewicht in Berlin. Auch den Kontakt zu dem Saarländer und SPD-Justizminister Heiko Maas wusste Kramp-Karrenbauer 2016 bei den Verhandlungen über die Bund-Länder-Finanzen gewinnbringend zu nutzen. Die „Saarland-Connection“ holte 500 Millionen Euro jährlich heraus. Dass sie nun, ein halbes Jahr vor ihrem 56. Geburtstag, doch nach Berlin wechselt, überrascht viele. Weniger überraschend ist hingegen, dass sich Peter Tauber aus dem Amt des CDU-Generalsekretärs verabschiedet. Der 43-Jährige sagt, diese Entscheidung habe er schon vor der Bundestagswahl getroffen. Gründe dafür nennt er nicht. Aber es gibt ein Sinnbild, das seinen Stellenwert in der CDU vor Augen führt – und ihn möglicherweise zum Abschied bewegt hat. Als im Februar die Jamaika-Verhandlungen in Baden-Württembergs Landesvertretung in Berlin Spitz auf Knopf standen, war durch die Glasfassade des Gebäudes folgende Szene zu beobachten: Mit ernsthafter Miene zogen sich die Schwergewichte der CDU zu Beratungen zurück. Angela Merkel, Peter Altmaier, Volker Kauder, Volker Bouffier strebten zum Aufzug – Peter Tauber nicht. Wie er überhaupt fast den ganzen Sonntagabend im Foyer zu sehen war. Dort, wo sich jene Unterhändler aufhielten, die gerade nichts zu tun hatten oder auf Entscheidungen der Großkopferten warteten. Mal stand Tauber am Bistrotisch allein, mal unterhielt er sich. Die Botschaft für Beobachter: Tauber gehört dem inneren Führungskreis seiner Partei nicht an, er ist kein Schwergewicht. Und das hatte nichts mit seiner ernsthaften Erkrankung zu tun. Warum Parteichefin Angela Merkel den Oberleutnant der Reserve in dieses Amt berufen hat, hat sie öffentlich nie erklärt. Vermutlich sollte ein junges Gesicht der Partei Modernität verordnen. Doch das ging schief. Der Hesse hat beispielsweise viel von Digitalisierung gesprochen. Aber mit nachhaltigen Politikansätzen ist er nicht aufgefallen. Eher mit einer App, die der CDU den Straßen- und Häuserwahlkampf 2017 erleichtert hat. Doch eine App ist ein Instrument, kein Politikansatz. Er selbst empfindet offenbar die Öffnung der Ehe für alle und das Einwanderungsgesetz, das die kommende große Koalition beschließen will, als eigene Handschrift, mit der er sich von seiner Chefin abgesetzt hat. Das schreibt Peter Tauber jedenfalls in seinem Blog. Es gibt nicht wenige CDU-Vorständler, die den Generalsekretär Tauber am Ende nicht mehr ernst genommen haben. Auch die Wirksamkeit seiner öffentlichen Politikvermittlung blieb überschaubar. Insofern ist der Rückzug Taubers folgerichtig – und wenig überraschend.

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