Rhein-Pfalz Kreis Teller Suppe, keine Schmerzen

SPD-Urgestein und passionierter Schachspieler: Manfred Reimann, hier beim Besuch in der RHEINPFALZ.
SPD-Urgestein und passionierter Schachspieler: Manfred Reimann, hier beim Besuch in der RHEINPFALZ.

„Wenn man alt wird, soll einen der Teufel holen.“ Solche markigen Sprüche haut Manfred Reimann wie am Fließband raus. Er ist ein Mann der klaren Worte. Aber so schlecht, wie es das Zitat suggeriert, geht es ihm freilich nicht. Er hat zwar einen Stock bei sich, aber nur für den Fall der Fälle, dass er mal stürzen sollte. „Sonst komme ich nicht mehr hoch.“ Und mit seiner gleichaltrigen Frau Lotte habe er sowieso das „große Los“ gezogen. Wie ein Sechser im Lotto sei auch seine Wahlheimat am Lebensabend. Aus der Ludwigshafener Gartenstadt ist das Paar vor gut zehn Jahren nach Maxdorf in einen Komplex für Betreutes Wohnen in der Speyerer Straße gezogen, wo sich die Reimanns pudelwohl fühlen. „Dort, direkt an der Heide, ist es traumhaft“, schwärmt der frühere Bundestagsabgeordnete von den ausgedehnten Spaziergängen. „Wer lange läuft, lebt lange“, meint Reimann, der die SPD und seinen Wahlkreis von 1983 bis 1994 im Bundestag vertreten hat. Als Direktkandidat in der damals roten Hochburg Ludwigshafen hat er sich zweimal gegen Helmut Kohl durchgesetzt. Apropos Altkanzler: Dessen Doktorarbeit an der Uni Heidelberg zur Nachkriegsgeschichte der CDU habe er sich seinerzeit von einer Studentin kopieren lassen und wundere sich bis heute, „dass man für so einen Schrott einen Doktortitel bekommt“. Reimann sagt aber auch: „Kohl hat seine Verdienste. Ich habe nichts dagegen, wenn man ihm in Ludwigshafen ein Denkmal setzt.“ Unbelastet war das Verhältnis zum Rivalen aus Oggersheimer aber nie. „Er hat mich immer übersehen, ich war nie sein Typ.“ Große Stücke hält Reimann auf die neue Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck, die ihm heute persönlich gratulieren wird. „Sie ist sehr engagiert“, sagt er. Als fleißiger Zeitungsleser weiß er aber auch, dass sie mit Blick auf die Verschuldung oder den Hochstraßenabriss vor schwierigen Aufgaben steht. „Da hat das Mädel eine Menge Arbeit vor sich.“ Das Mädel. Mit 55. Einen direkten Draht zur Partei, für die er zehn Jahre im Ludwigshafener Stadtrat saß, hat Reimann nicht mehr. 2002 kehrte er der SPD-Fraktion aus Protest gegen das rot-schwarze Rathaus-Bündnis den Rücken. „Mit der CDU ging es für uns doch überall den Bach runter“, sagt er. Auch den Genossen in Berlin rät er: „Lasst den Quatsch mit der Union. Wir haben es doch nicht nötig, als Anhängsel missbraucht zu werden.“ Da spürt man, dass Reimann einer Generation von Genossen angehört, in deren Selbstverständnis die SPD noch immer die stolze Volkspartei von einst ist, die in Ludwigshafen mal 8000 Mitglieder zählte. Heute sind es keine 1400 mehr. Die Zeiten haben sich geändert, Reimann nicht. Mit der SPD verbindet ihn eine Art Hass-Liebe. „Die große soziale Idee kann ich nicht ablegen.“ Und sein Parteibuch von 1958 trägt er stets bei sich. Dazwischen klemmt eine Postkarte, die SPD-Lichtgestalt Willy Brandt vorm Brandenburger Tor anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Partei zeigt. Untermalt von einem Zitat des Altkanzlers, das für Reimann heute noch Gültigkeit besitzt: „Es hat keinen Sinn, eine Mehrheit für die Sozialdemokratie zu erringen, wenn der Preis dafür ist, kein Sozialdemokrat mehr zu sein.“ Unvergessen sind für ihn die „17 schönen Jahre“ als Fördervereinsvorsitzender des Ludwigshafener Blies-Strandbads. „Ich habe die Blies aus dem Dreck geholt“, sagt Reimann. „Dann bin ich ausgebootet worden. Das hat mich maßlos enttäuscht.“ Etwas verbittert ist er auch über die Entwicklung der Ludwigshafener Innenstadt. Alt-OB Eva Lohse (CDU) habe sie verkommen lassen, sich vor allem ums Rheinufer Süd gekümmert und das Zentrum vernachlässigt. „Was es hier mal für Geschäfte gab …“ Bestürzt ist er auch über die Entwicklung in der Weltpolitik. „Trump, Putin und Co., die Verbrechen in Syrien – da dreht sich mir der Magen um vor Zorn und Wut“, schnaubt er. Die zunehmende Digitalisierung ist ihm ebenfalls ein Graus. „Ich traue mich an den Kram nicht mehr ran.“ Wobei das so nicht ganz stimmt. Denn der passionierte Schachspieler sitzt gerne an jenem PC, den ihm seine Tochter Monika (59) geschenkt hat, und ärgert sich maßlos, wenn ihn der Computer matt setzt. „Ich bin stinkesauer, wenn ich verliere“, gibt Reimann zu. Heute wird er vom SPD-Ortsverein gewürdigt und feiert mit Freunden im Tierpark Birkenheide. Zu ihnen zählt Klaus Schmitt-Winkenbach (68), ein Nachbar, der hin und wieder nach den Reimanns schaut. Über das rüstige Paar sagt er: „Das sind zwei liebe und aufrichtige Leute, mit denen man sich über alles unterhalten kann.“ Und was wünscht man sich als Geburtstagskind neben solchen Komplimenten? Reimann denkt nach und haut wieder so einen Spruch raus, der allerdings nicht von ihm, sondern von der Volksschauspielerin Heidi Kabel stammt: „Jeden Tag einen Teller warme Suppe – und keine Schmerzen.“

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