Museums(Ver-)führer Im Kirschenlandmuseum dreht sich vieles um die süße Frucht

Martin Fornoff zählt zu der zwölfköpfigen Arbeitsgruppe, die sich zurzeit um das Museum kümmert.
Martin Fornoff zählt zu der zwölfköpfigen Arbeitsgruppe, die sich zurzeit um das Museum kümmert.

Rund 15.000 Kirschbäume, die im Kohlbachtal stehen, waren ein guter Anlass, dem Heimatmuseum in Altenkirchen einen neuen Namen zu verleihen: Kirschenlandmuseum. Seit dem Umbau waren schon viele Besucher dort. Regelmäßig gibt es Sonderaktionen.

Der Name ist ein Alleinstellungsmerkmal. „Wenn Sie bei Google ,Heimatmuseum’ eingeben, erhalten Sie unzählige Treffer“, sagt Martin Fornoff von der Arbeitsgruppe, die sich zurzeit um das Museum kümmert. „Wenn Sie aber ,Kirschenlandmuseum’ eingeben, steht unser Museum ganz oben in der Liste.“ Da ist was dran.

Der Kirschenanbau hat in den Dörfern des Kohlbachtals, in Altenkirchen, Frohnhofen und Dittweiler, eine lange Tradition. Vor allem für Süßkirschen ist das Kohlbachtal bekannt. Im Museum zeigt ein Film, wie Leute vor vielen Jahren meterhohe Leitern bestiegen haben, um die Früchte von den Bäumen zu holen. „Zum Teil waren das Leitern mit 40 Sprossen“, sagt Fornoff. „Und ja: Da gab es auch Unfälle mit Todesfolge.“

Am Anfang waren Chaussee-Bäume

Im Grunde ist es nur ein Raum, der sich dem Thema Kirschen widmet. Doch wenn man ihn sich zu Gemüte geführt hat, ist man um einiges schlauer. In dem Raum hängen nicht nur Bilder von blühenden Bäumen und eine Übersicht über die verschiedenen Kirschsorten, sondern auch ein rundes kissenartiges Ding, auf das beim Ernten früher wohl kaum jemand verzichten wollte: „Es handelt sich um einen Kopfring. Der hat das Tragen der Körbe und Leitern angenehmer gemacht“, erklärt Fornoff.

Der Anbau des Steinobsts, das im Sommer regelmäßig Einzug in die Supermärkte hält, habe seinen Anfang in der Zeit der französischen Herrschaft genommen, also um den Beginn des 19. Jahrhunderts, wie Fornoff erklärt. „Kaiser Napoleon hat damals verfügt, dass Chaussee-Bäume gepflanzt werden: Obstbäume an den Rändern von Straßen und Feldwegen.“ Später, als die Pfalz zum Königreich Bayern gehörte, wurde im Kohlbachtal nach einer Anordnung des Homburger Landkommissärs Philipp Jakob Siebenpfeiffer ein „Ausschuss zur Beförderung der Obstzucht“ gegründet.

1930 wurde die Obsthalle in Altenkirchen gebaut, in der das angelieferte Obst, hauptsächlich Kirschen, versteigert wurde. Zu den Auktionen kamen Großhändler aus großen deutschen Städten, etwa Frankfurt und München. „Bis in die 1970er Jahre war der Kirschenanbau im Kohlbachtal ein lukratives Geschäft“, fasst Fornoff zusammen. Von den erwähnten 15.000 Kirschbäumen werden heute noch etwa 150 intensiv bewirtschaftet, so seine Schätzung.

Im Jahr 2022 bislang rund 300 Besucher

Das Museum wurde 1986 von vier Männern als Heimatmuseum gegründet und war vor seinem Umbau längere Zeit geschlossen. Im Augsut 2021 wurde es wiedereröffnet. Die Veränderungen hatten zum Ziel, das Museum auf die Höhe der Zeit zu bringen und die Ausstellungsräume neu zu strukturieren. Der Besucherzulauf seitdem kann sich sehen lassen. „Von August bis Ende 2021 waren es rund 180 Besucher, 2022 waren es bislang rund 300 Besucher“, sagt Fornoff.

Für die Arbeitsgruppe, die vom Museumsbetreiber, dem Heimat- und Wanderverein, beauftragt wurde und aus zwölf Leuten besteht, hat sich das Museum mittlerweile auch als Treffpunkt für Besprechungen etabliert. Jeden Sonntag sind zwei Leute aus der Gruppe da, um Besucher zu empfangen und durch die Räume zu führen. Der Eintritt ins Kirschenlandmuseum ist frei.

Nachbildung einer alten Wohnküche

In den anderen Ausstellungsräumen geht es insbesondere um die Geschichte der dörflichen Alltagskultur. Ein Herzensprojekt der Frauen im Team sei die Einrichtung einer alten Wohnküche gewesen, wie Fornoff erzählt. Dabei habe man sich ungefähr an der Zeit zwischen 1940 und 1970 orientiert. In der Küche stehen ein alter Ofen und eine Nähmaschine. Auf dem Tisch liegt eine aufgeschlagene Lesefibel, auf dem Boden warten „em Babbe sei Schlabbe“ darauf, dass der Familienvater heimkommt. „Wir haben uns vorgestellt, dass ,de Babbe’ im Musikverein spielt“, sagt Fornoff und deutet schmunzelnd auf ein Flügelhorn an der Wand.

Das Herzstück des benachbarten Raums und das wohl größte Exponat im ganzen Museum ist der Nachbau eines Webstuhls. Um ihn herum an den Wänden wird ziemlich genau erklärt, was in den einzelnen Schritten der Flachsverarbeitung geschehen muss, damit am Ende ein für Textilien verwertbarer Stoff herauskommt.

Ein interessantes, aber nicht ganz so auffälliges Ausstellungsstück ist der Ledereimer: „Den musste früher, als es noch keine Feuerwehr gab, jeder Haushalt vorrätig haben“, erklärt Fornoff. Bei Feueralarm seien Menschenketten gebildet und die mit Wasser gefüllten Eimer vom einen zum nächsten gereicht worden. „Und durch die Abkürzungen auf den Eimern haben sie letztendlich wieder zu ihren Besitzern gefunden. Die Markierungen waren notwendig, zumal jedes Exemplar durch viele Hände gewandert ist.“

Die Auswanderungswelle im 19. Jahrhundert

Ein weiterer Themenschwerpunkt im Museum ist die große Auswanderungswelle im 19. Jahrhundert. Eine Tafel listet jede Menge Namen von Menschen auf, die überwiegend zwischen 1830 und 1880 aus dem Kohlbachtal nach Amerika auswanderten und deren Nachkommen sich heute über die USA verteilen. „Deshalb haben viele Familien hier auch entfernte Verwandte in Amerika“, sagt Fornoff. Die Auswanderer versprachen sich ein besseres Leben auf der anderen Seite des Ozeans, wenngleich das Verlassen des Landes und die Reise an sich viele Schwierigkeiten mit sich brachten, nicht zuletzt wegen der schlechten hygienischen Verhältnisse und der mangelnden Verpflegung an Bord der Schiffe.

Mit der Wiedereröffnung des Museums hat sich die Arbeitsgruppe auch das Ziel gesetzt, regelmäßig Programm anzubieten. „Das alles hier soll nicht statisch bleiben“, sagt Fornoff. Leider hat Corona dem rührigen Team recht schnell wieder die Suppe versalzen. So konnte etwa eine Vorleseaktion im Advent 2021 nicht stattfinden. Dieses Jahr soll sie nachgeholt werden. „Aber zuvor haben wir ergänzend zur Kerwe alte Kerwebilder im Museum gezeigt. Da war hier ganz schön was los“, sagt Fornoff. Eine weitere Retrospektive ist dieses Jahr zum Thema Almabtrieb geplant: Diesen kennt man eher aus dem Allgäu; einst wurde er aber mehrere Male in Altenkirchen nachgestellt. Außerdem soll es noch eine Sonderausstellung zur Motorisierung in der Landwirtschaft geben.

Die Serie

In der Serie Museums(ver-)führer stellen wir Museen der Region vor und geben einen Vorgeschmack darauf, was die Besucher erwartet. Die Serie soll Lust machen, nach den Pandemie-Beschränkungen wieder Entdeckungen zu machen.

Eine Wohnküche, für die man sich an der Zeit 1940 bis 1970 orientierte, wurde im Kirschenlandmuseum nachgestellt.
Eine Wohnküche, für die man sich an der Zeit 1940 bis 1970 orientierte, wurde im Kirschenlandmuseum nachgestellt.
Aus Kirschen kann man Marmelade machen. Aber auch Schnaps.
Aus Kirschen kann man Marmelade machen. Aber auch Schnaps.
Einen Wanderweg durchs Kirschenland gibt es auch: Er startet am Museum.
Einen Wanderweg durchs Kirschenland gibt es auch: Er startet am Museum.
Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x