Steinbach Kritischer Geist, aufrechter Gang: Zum Tod von Jörn Wilhelm

JÖRN WILHELM
JÖRN WILHELM

Eine Stimme ist verstummt, die etwas zu sagen hatte und deren Klang man gerne gelauscht hat: Im Alter von 79 Jahren ist Jörn Wilhelm in der Nacht auf letzten Freitag gestorben. 17 Jahre war er protestantischer Pfarrer in Göllheim, sechs weitere in Imsbach. Die Geschichte seines Lebens, die er in drei gedankenreichen Büchern erzählt hat, bleibt von ihm.

Jörn Wilhelm, der zuletzt in Steinbach lebte, war kein „bequemer“ Geistlicher. Er las das Evangelium auch als sozialreformerischen Text mit politischem Auftrag und eckte damit nicht selten an, vor allem in den 70er Jahren in Göllheim, seiner ersten Pfarrstelle. Der dritte Band seiner Lebenserinnerungen lässt diese Zeit und die Konflikte mit den lokalen Wortführern nacherleben. Auch für die Nachwehen der NS-Zeit hatte er einen geschärften Blick. Es war der Geist der „68er“, den der Hamburger mitbrachte in die Pfalz wie in die Institution Kirche.

Geboren wurde Wilhelm in Waren an der Müritz. Nach Kriegsende war die Familie nach Hamburg geflüchtet, wo Wilhelm in ärmlichsten Verhältnissen aufwuchs, zeitweise war er sogar als Pflegekind in England. Die Literatur sah er als eine Art seelischen Lebensretter und Fixstern, ebenso die Liebe zu Irland. Improvisierte Familienurlaube, zumeist als campende Anhalter unterwegs, haben die grüne Insel früh zu seinem Sehnsuchtsland werden lassen, was sich niederschlug in vielen Reisen, aber ebenso in seiner Übersetzung des Buches „Die letzte Insel“ von Robin Flower.

In der Zeit der Studentenunruhen studierte Wilhelm Theologie in Heidelberg und Erlangen, mitten drin im Gewühl und offen für das Aufbegehren gegen die Elterngeneration und den Muff der tausend Jahre. Auf das Vikariat in Ludwigshafen folgte 1972 der Schritt in die Nordpfalz, nachdem Wilhelm zuvor mit Gleichgesinnten innerkirchlich Wirbel verursacht hatte wegen des Widerstands gegen die Modalitäten der Ordination.

Jörn Wilhelm war ein Mann des offenen Wortes, äußerst belesen und klar in seinen Stellungnahmen. Und er war einer, der die Dinge nicht ruhen ließ. Das Schreiben seiner Lebenserinnerungen war ihm Anlass, Offenes nachzurecherchieren, Entschiedenes und Erlebtes neu zu hinterfragen, alte Weggefährten wieder aufzusuchen. So sind die drei Bände seiner Autobiografie – „Wildenten sah ich fliegen“ (2016), „Mit ausgebreiteten Flügeln“ (2017), „Landung im Schatten des Donnersbergs“ (2022) – wertvolle Zeitzeugnisse mit Brücken in die Gegenwart. Sie führen auf die Spuren eines kritischen Geistes mit Sinn für Gerechtigkeit und den aufrechten Gang.

x