Steinbach Flüchtlingsaufnahme in Jugendherberge: Es läuft rund – dank DRK

Die DRK-„Tagesschicht“ vom Donnerstag: Florian Massalski, Jochen Lunk, Michelle Hüttel, Björn Becker, Marie Stabel und Wolfgang
Die DRK-»Tagesschicht« vom Donnerstag: Florian Massalski, Jochen Lunk, Michelle Hüttel, Björn Becker, Marie Stabel und Wolfgang Massalski (von links).

Die ehemalige Jugendherberge in Steinbach dient als Erstaufnahmelager für Ukraine-Flüchtlinge, die ungeordnet im Donnersbergkreis ankommen. Der Kreisverband des Roten Kreuzes hat die Aufnahmestelle unter seiner Regie. Die ganze Arbeit dort wird von Ehrenamtlichen gestemmt. Ein Blick hinter die Kulissen.

In der ehemaligen Jugendherberge in Steinbach geht es laut und lebhaft zu. Ein Grüppchen junger Frauen steht vor der Eingangstreppe beisammen. Kinder rennen durch den Flur. DRK-Kreisbereitschaftsleiter Björn Becker steht in der Rezeption und klärt etwas mit den beiden Helferinnen Michelle Hüttel und Marie Stabel, Jochen Lunk, Vorsitzender des DRK-Ortsvereins Münchweiler, telefoniert. In der Küche bereiten Florian und Wolfgang Massalski vom Ortsverein Lautersheim das Essen zu. Es gibt Cordon bleu, Erbsen, Karotten und Reis. „Ein ganz normaler Tag“, sagt Björn Becker.

Seit am Abend des 5. März die ersten Ukraine-Flüchtlinge, zwei Frauen und vier Kinder, in Steinbach aufgenommen wurden, geht es dort zu wie im Taubenschlag. „Die Leute kommen im Prinzip zu allen Zeiten an“, erklärt Lunk. „Im besten Fall wissen wir vorher Bescheid, aber nicht immer.“ Im Augenblick (Stand Donnerstag, 17. März, um die Mittagszeit) befinden sich 46 Ukrainer in Steinbach, bis auf einige ältere Männer, zumeist Großväter der Familien, überwiegend Frauen und Kinder. Viele Kinder. „Es war für uns auch überraschend, aber viele ukrainische Familien haben bis zu sieben Kinder“, sagt Becker.

Viele Kinder haben Infekte, wenn sie ankommen

Das macht sich auch bei der medizinischen Versorgung bemerkbar, die für die Angekommenen bereitgestellt wird: „Es gibt viel zu tun. Viele Kinder haben Infekte, Verdauungsprobleme oder Stress und müssen zumindest anfangs auch psychosozial betreut werden“, erläutert Becker. Fahrten zum Zahnarzt mussten auch schon organisiert werden. „Da hat uns die Steinbacher Feuerwehr ausgeholfen.“

Apropos aushelfen: „Wir wenden uns an jeden, der uns einfällt“, sagt Lunk. „Wir brauchen so viel Hilfe, wir rufen jeden an, der uns noch irgendeinen Gefallen schuldet.“ Sobald die ehrenamtlichen Helfer – in der Regel sind mindestens sechs von ihnen tagsüber im Einsatz, nachts meist nicht mehr als zwei –, ihre Kapazitätsgrenzen erreicht haben, „werden sämtliche Netzwerke aktiviert“, so Lunk. Vor allem von den Feuerwehren der umliegenden Ortschaften kommt tatkräftige Hilfe, aber auch von der Ortsgemeinde Steinbach samt Ortschefin Susanne Röß, dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde Winnweiler, Rudolf Jacob, sowie von persönlichen Freunden und Bekannten.

Die Rotkreuz-Leute sind gut organisiert und haben die Zuständigkeiten nach Ortsvereinen aufgeteilt. „Für den Sanitätsdienst sind hauptsächlich die Ortsvereine Münchweiler und Rockenhausen zuständig. Um die Betreuung der Leute kümmert sich überwiegend Eisenberg, und die Verpflegungseinheit kommt aus Lautersheim“, erläutert Becker. Dazu kommt noch ein Team für Krisenintervention und Psychosoziale Notfallversorgung, das wird von Kirchheimbolanden gestellt. „Aber im Prinzip sind alle Ortsvereine mit allen Aufgaben irgendwie eingebunden, anders ginge es ja gar nicht“, sagt Lunk.

Manchmal mehr als 200 Telefonate pro Tag

Für Jochen Lunk, der die praktische Arbeit organisiert, während Becker für alles zuständig ist, was mit Verwaltung zu tun hat, besteht der Dienst aus telefonieren, telefonieren, telefonieren. Manchmal mehr als 200 Gespräche pro Tag. Das Aufnahmeprozedere für Neuzugänge ist immer gleich. Sie werden registriert, dann wird ein Corona-Test gemacht, anschließend folgt die Zimmerzuteilung. „Bisher hatten wir zum Glück noch niemanden, der positiv war“, sagt Becker. Die Impfquote sei dagegen leider sehr schlecht – nur um die 20 Prozent. „Und von denen haben viele das Zeug aus Russland bekommen, das kaum wirkt.“

Deshalb gehört gegebenenfalls auch das Organisieren von Impfungen zur Versorgung der Flüchtlinge. Und natürlich die medizinische Versorgung. „Aufgrund unsrer Erfahrung beim DRK haben wir schon einen Blick dafür, ob jemand Beschwerden hat“, sagt Becker. Einen ersten Blick werfe oft schon die in dem Gebäude wohnende Ärztin auf die Neuankömmlinge. Zudem sei es gelungen, über private Bekannte eine Psychologin zu organisieren. „Manche der Leute haben Schlimmes mitgemacht“, sagt Becker und nennt eine Familie mit einem autistischen Kind, deren Großmutter auf der Flucht einen Herzinfarkt bekam und starb. Oder die Familie mit sieben Kindern, deren Ältester erst vor wenigen Tagen 18 Jahre alt geworden ist: „Sie mussten ihn an der Grenze zurücklassen, weil ab 18 eingezogen wird.“

Wohnungsvermittlung gehört auch dazu

Derzeit ist es Ziel der Behörden im Kreis, die Flüchtlinge so schnell wie möglich in Wohnungen zu bekommen. „Die Verweildauer in Steinbach beträgt im Augenblick rund drei Tage“, sagt Lunk. Das heißt neben ihrer Arbeit vor Ort kümmern sich die Ehrenamtlichen vom Roten Kreuz auch um die Wohnungssuche und -vermittlung. „Wir klären das auf dem kleinen Dienstweg mit den Verbandsgemeinden“, so Lunk, denn dort sollen alle freien Unterkünfte ja gemeldet werden.

Becker und Lunk wissen von erstaunlichen Beispielen von Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft zu berichten: „Da gibt es Leute, die räumen ihr Schlafzimmer aus, eine Frau aus Breunigweiler schläft im Wohnwagen, der Morschheimer Bürgermeister hat sein Büro zur Verfügung gestellt.“ Oft seien auch Mietwohnungen gerade freigeworden. „Eine Familie hat ihr Mietshaus neu renoviert, das ist in Tipp-topp-Zustand, da würden Sie und ich auch sofort einziehen“, sagt Lunk. Nur ganz selten müsse er Angebote ablehnen. „In einem Fall sagte ein Wohnungsinhaber ,Bringen Sie so viele wie sie wollen, irgendwo stopfen wir die noch rein.’ Da hatte ich kein gutes Gefühl.“ Und einmal seien auch seitens der Geflüchteten relativ unverschämte Ansprüche gestellt worden: „Alles war nicht gut genug. Das waren allerdings auch seltsame Personen, geschminkt bis hinter die Ohren, wobei ich das Gefühl hatte, dass die Forderungen eher von der Dolmetscherin ausgingen, die die mitgebracht hatten.“ Das sei aber wirklich der einzige Fall gewesen.

Ukrainer aus der Großstadt erleiden Kulturschock

Was allerdings manchmal vorkomme, sei, dass die Neuankömmlinge unrealistische Erwartungen bezüglich ihrer Umgebung hätten: „Für die ist Kaiserslautern mit seinen 100.000 Einwohnern ein kleines Nest“, sagt Lunk. „Natürlich, wenn die alle aus Kiew kommen...“ Vor dem Krieg hatte die ukrainische Hauptstadt fast drei Millionen Einwohner. „Wenn die erfahren, dass sie hier auf dem Land sind, sind sie erst mal geschockt. Aber da müssen sie jetzt durch“, sagt Lunk. Wonach er bei der Wohnungsvermittlung die Anbieter immer frage, sei die Qualität der Internetverbindung. „Das ist für die Leute mit das Wichtigste, auf jeden Fall wichtiger als ein Fernseher. Für ihre Informationen über den Krieg, aber auch wie es ihren Familien geht, sind sie auf das Internet angewiesen.“

Bisher wurden schon mehr als 100 Flüchtlinge in Wohnungen vermittelt. Und die Hilfe der Wohnungsbesitzer ende oft nicht dort: „Fast alle bieten darüber hinaus Unterstützung an, etwa bei Behördengängen oder Arztbesuchen.“ Und auch Übersetzungshilfe werde großzügig angeboten – sowohl von ukrainisch als auch von russisch sprechenden Menschen aus dem Kreis. In Steinbach selbst greift man auf die Hilfe von drei Dolmetschern zurück, die zum Teil auch nachts zur Verfügung stehen. „Oksana Bauer aus Steinbach hatte sogar extra eine Woche Urlaub genommen.“

Alles wird ehrenamtlich geleistet

Natürlich ist das Wohnungsangebot im Kreis nicht unendlich, das wissen auch Bauer und Lunk. Deshalb schaue man sich auch jetzt schon über die Grenze hinaus um. „Ziel ist es, möglichst lange zu vermeiden, dass wir Turnhallen oder Ähnliches belegen müssen“, sagt Lunk. Trotzdem sei absehbar, dass irgendwann die Verweildauer in Steinbach steige. „Dann müssen wir uns auch Gedanken über ein Betreuungsangebot machen.“

Alles, was die Leute vom DRK in Steinbach auf die Beine stellen, leisten sie im Ehrenamt – manchmal mit einigen Zugeständnissen vom Arbeitgeber. So ist Lunk, hauptberuflich Forstwirt und beim Land angestellt, derzeit freigestellt. Andere Helfer dagegen haben sich Urlaub genommen oder kommen vor oder nach der Arbeit zum Dienst in Steinbach. Im Prinzip ist das für die Beteiligten ein zweiter Vollzeitjob. Becker und Lunk wünschen sich deshalb, dass bald Unterstützung von professionell besetzten Institutionen kommt. „Vor drei Wochen haben wir hier alles aufgebaut, seit zwei Wochen läuft der Betrieb. Langsam kommen unsere Leute an ihre Grenzen“, sagt Becker. „Zumal wir erst vor wenigen Monaten bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im Einsatz waren. Und das alles parallel zu Corona, wo wir ja auch noch aktiv sind.“

Sachspenden können nicht angenommen werden

Noch ein Appell zum Schluss: Der DRK-Kreisverband freut sich nach wie vor über Spenden. Allerdings bitten die Helfer in Steinbach darum, derzeit keine Sachspenden abzuliefern. Die Ehrenamtlichen haben keine Kapazitäten für die Annahme und das Sortieren frei. Zudem sei es in den meisten Fällen einfacher und auch preiswerter, benötigte Dinge neu zu kaufen. Geldspenden werden jedoch gerne entgegengenommen – der DRK-Kreisverband hat dafür ein eigenes Konto bei der Sparkasse Donnersberg eingerichtet: IBAN: DE56 5405 1990 0030 0111 00; BIC: MALADE51ROK; Stichwort: Ukraine.

Ein paar Zahlen...

Die Verpflegungseinheit vom DRK-Ortsverein Lautersheim hat der RHEINPFALZ eine Aufstellung zur Verfügung gestellt, um eine Vorstellung zu geben, in welchen Dimensionen sich allein die Essensausgabe bewegt. Der Zeitraum: 7. bis 16. März.

  • 237 Frühstücksportionen (freiwillige Helfer: 48)
  • 248 Mittagessen (Helfer: 44)
  • 316 Abendessen (Helfer: 33)
  • Maximale Belegung: Frühstück für 78 Personen, Mittagessen für 60

    Personen (beides 15. März), Abendessen für 65 Personen (14. März)

  • Einweg-Geschirr-Verbrauch: 1177 Einheiten
  • Brötchen: 810 Stück
  • Brot: 16 Kilogramm
  • Wasser: 660 Flaschen
  • Schokoriegel/Süßigkeiten: 750 Stück
  • Kaffee: ca. 1200 Tassen (6 Kilogramm)
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