Rheinpfalz Erst geht’s in den Stall und dann wird regiert

Jeden morgen um kurz vor sieben geht Kurt Pirmann in den Stall füttern: die Schafe, Hühner, Enten, Hasen, Pferde. Dann trinkt er mit seiner Frau Kaffee, anschließend fährt er nach Zweibrücken: um als Oberbürgermeister die Stadt zu regieren. Ab und an dürfen die Enkelkinder bei Oma und Opa übernachten. Wenn Kurt Pirmanns Enkelinnen nach Dellfeld kommen, dann dürfen sie bei ihm im Doppelbett schlafen und die Oma muss auf die Couch. Zwei Begebenheiten, die zeigen, welch ein Mensch dieser Mann ist, der heute 60 Jahre alt wird. Ein Mann vom Land, der sich zeitlebens auf dem Dorf wohlgefühlt hat. Ein Familienmensch, der das Gesellige liebt, der aber auch die Ruhe braucht, allein im Stall mit seinen Tieren. Oder sonntags mal in einem ruhigen Schwimmbad weit weg. Als Pirmann 14 war, starb der Vater, da musste er auf dem elterlichen Bauernhof ran, da musste er wissen, was zu tun ist – und schaffen, schaffen, schaffen. Ein Jahr später begann er eine Schlosserlehre bei John Deere – auch kein Zuckerschlecken. Denn damals wurden die Lehrbuben noch getriezt. Bier für die Alten holen, das war noch das Geringste Übel. Schlimmer waren die Schläge, die es im Betrieb setzte, damals ganz normal. Der junge Pirmann erlebte Ohnmacht und Ungerechtigkeit am eigenen Leib. Das hat ihn geprägt und früh zum Gewerkschafter und damit – auch das damals normal – zum Sozialdemokraten werden lassen. Als sich Kurt Beck aufs Altenteil zurückzog, hieß es, mit ihm verliere die Arbeiterpartei den letzten Amtsträger, der eine klassische Arbeiterlaufbahn absolvierte. Stimmt nicht: Die SPD hat noch Kurt Pirmann. Wobei Pirmann auch nie der klassische Arbeiter war, wie er beispielsweise in den Nachbarstädten Pirmasens oder Neunkirchen aufwuchs. Denn Pirmann kommt aus Dellfeld, vom Land. Er war immer auch Bauer – und stolz darauf. Es gab Zeiten, in denen er mit der städtischen Sozialdemokratie fremdelte. Insbesondere mit der Sozialdemokratie, in der die Toskana-Fraktion den Ton angab: die Lehrer, die Rechtsanwälte, überhaupt die Juristen. Mit Gerhard Schröder, mit dessen Zigarren und Maßanzügen, dessen vielen Frauen und dessen Gehabe und mit dessen Agenda-2010-Politik hatte und hat Pirmann nicht allzu viel am Hut. Pirmann ist ein Sozialdemokrat jener alten Schule, die es eigentlich gar nicht mehr gibt. Er fremdelt seit eh und je mit den Grünen, teilt sich die Macht lieber mit der CDU. Wobei er den Christdemokraten, wo immer Pirmann bisher etwas zu sagen hatte, stets den kleineren Teil der Macht überlassen hat, dazu den einen oder anderen Posten. Auf diese Weise hat er sich sowohl als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Zweibrücken-Land als auch als Oberbürgermeister den politischen Freiraum verschafft, den er zum unangefochtenen Regieren braucht. Pirmann, so leutselig er auch daherkommen mag, ist keiner der mitbestimmen will. Aus dem Alter ist er raus. Pirmann will bestimmen. Meist hat er Erfolg. Dabei helfen ihm sein politisches Gespür, sein sehr gesunder Menschenverstand, und die Gabe, fast jeden beim Gespräch unter vier Augen überzeugen oder für seine Vorhaben einnehmen zu können. Auf diese Weise schafft er es, im Zweibrücker Stadtrat fast immer große Mehrheiten hinter sich zu sammeln. Wobei er die Mehrheit nicht in der Sitzung gewinnt, sondern vorher. Bei Gesprächen unter vier Augen, bei Telefonaten. Im Stadtrat praktiziert er öfter mal die Hau-Ruck-Überraschungstaktik: sagt vorher nicht groß, worum es geht, brennt dann ein Feuerwerk von Argumenten ab – und lässt dann, begeistert von der eigenen Begeisterung, abstimmen. Manchmal wundert er sich hinterher, dass doch nicht alle mitgemacht haben. Dann kann er auch mal ungehalten und unhöflich werden – und einem Grünen oder einer Freidemokratin so richtig „übers Maul fahren“. Wer austeilen kann, der sollte auch einstecken können. Da aber ist Pirmann zuweilen auffällig dünnhäutig. Gerade im Wahlkampf. Ein Beispiel: Es war einmal eine Wahl in der Verbandsgemeinde Zweibrücken-Land. Da trat für die SPD der langjährige Amtsinhaber Kurt Pirmann an. Und für die CDU Herbert Schmidt. Schmidt glaubte nicht an seinen Sieg, er trat an, weil es sich in einer Demokratie gehört, dass der Wähler auch eine Wahl hat. Aber da er nun schon mal der Kandidat war, musste er sich ja auch ein klein wenig vom politischen Gegner, vom großen Kurt Pirmann, absetzen. Und Schmidt sagte, dass er im Falle seiner Wahl dies und jenes besser machen werde. Besser machen? Besser machen als Kurt Pirmann? Als dieser das in der Zeitung las, schwoll sein Kopf an, er wurde feuerrot und prustete los: Was sich dieser Herbert Schmidt denn erlaube, seine Arbeit schlechtzumachen! Und damit die ganze Verbandsgemeinde! Es dauerte Tage, bis sich Pirmann wieder einkriegte. Wenn man ihn heute reizen will, muss man nur die Stichworte Mülldeponie, Abfall aus Italien oder Bürgerinitiative Mörsbach fallen lassen – und schon ist er auf 180. Das ist dreimal 60 und im Alter nicht mehr so gesund. Pirmann hat noch Saft und Kraft. Er will in Zweibrücken noch etwas bewegen. Mit der Erneuerung der Fußgängerzone gelang im ein furios-erfolgreicher Start als Oberbürgermeister. Das Aus für den Flughafen warf Pirmann zurück. Doch er hat sich berappelt. Sein Ehrgeiz liegt jetzt darin, den Verlust mehr als auszugleichen. Er wird noch die eine oder andere Katze aus dem Sack zaubern.

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