Rheinpfalz Die Nazis kündigen die Diktatur an

Der Kuseler Anzeiger meldete am 2. April 1928, dass die für den vergangenen Sonntag, 1. April, angekündigte nationalsozialistische Versammlung vom Bezirksamt verboten wurde aus Gründen, die mit der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung zusammenhängen. Es war damals allgemein bekannt, dass Veranstaltungen unter Beteiligung der „Hitlerbewegung“ oft in Krawalle mündeten.

Genau vier Wochen später, am Sonntag, 29. April, fand nachmittags um 14.30 Uhr eine erste Wahlveranstaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in der Kuseler Turnhalle statt. Im ausführlichen Bericht über ihren Verlauf ist zu lesen, dass Richard Imbt, damals Gemeindesekretär in Ixheim (später Nazi-Oberbürgermeister von Kaiserslautern), die Versammlung leitete. Einen ausgedehnten Vortrag hielt Ludwig Liebel, Lehrer aus Contwig. Aus dem antisemitischen Parteiprogramm heraus hatte er bald die Ursache für die Misere gefunden, die in vielen Bereichen, so bei der Industrie, bei den Geschäftsleuten, bei den Beamten und bei der Landwirtschaft herrschte: die Banken sind an allem schuld! Schuld am allgemeinen Niedergang seien zudem die hohen Steuern. Er erging sich im Beschimpfen der Parteien im Reichstag, die unfähig seien, für den Wohlstand des Volkes einzutreten. Bei den Kommunisten seien die meisten Mitglieder verführte Idealisten. Das Parteiprogramm der NSDAP hingegen verwerfe den Klassenkampf, es rufe zur Sammlung der Kräfte. Zur Durchführung des Programms brauche man die Diktatur, die kein unproduktives Parlament kenne, sondern nur Ständevertretungen. Das Programm fordere weiter die Unterordnung unter den Führergedanken, die Auflösung der Banken und des Börsenkapitals. Nichts „Fremdstämmiges“ dürfe Einfluss haben, die Form des Staates sei Nebensache. Schaffendes Kapital sei gegen das raffende zu mobilisieren. Deutschland könne nur gesunden im nationalsozialistischen Staat. Dann erhob sich aus dem Publikum ein ehemaliger kommunistischer Reichstagsabgeordneter namens Kreuzberg, der ebenfalls gegen das international herrschende Kapital argumentierte. Liebel antwortete ihm noch, ehe die uniformierte Parteitruppe mit Singen des Hitlerlieds die Versammlung beschloss. Der abgedruckte Bericht ist sehr lang und ausführlich. Bilder waren damals noch kaum in der Zeitung zu sehen. Eine Recherche in der Liste der Reichstagsabgeordneten ergab, dass es diesen Abgeordneten nie gegeben hat, auch nicht unter den Kommunisten. Der Erfolg der NSDAP bei den Wahlen 1928 blieb aus. Die Gesamtzahl der antisemitischen Abgeordneten blieb gegenüber 1924 gleich, nur waren die Nationalsozialisten auf Kosten anderer gewachsen. Auf diese erste Versammlung folgten in Kusel viele weitere, weil die instabilen politischen Verhältnisse viele Wahlen nach sich zogen. Ein Merkmal jener Nazi-Versammlungen war, von den Besuchern Eintritt zu verlangen. Eine freie Berichterstattung aber war nach dieser ersten Versammlung nicht mehr erwünscht: die Redaktionen erhielten die Berichte vom Veranstalter zugesandt. Im Dezember 1929 erhielt die NSDAP bei den Wahlen zum Kuseler Stadtrat nur einen Sitz für den Steuerassistenten Eduard Boos. Seine Vertreter waren Bernhard Gras, Schneidermeister; Ernst Schneider, Maurer; Fritz Forsch, Buchhalter; Peter Jung, Müller; Fritz Ehrhardt, Steuersekretär; Willi Frantzen, Packer; Gustav Dörrwächter, Schlosser; Hermann Laubenstein, Mechaniker und Ludwig Müller, Zimmermeister. Boos schaffte es, sich in den Vordergrund zu schieben und in diesem Gremium einen wichtigen Platz einzunehmen.

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