Sport Der heimliche Chef
«Ludwigshafen.» David Schmidt war der heimliche Chef bei Handball-Bundesligist Eulen Ludwigshafen. Während Kreisläufer Kai Dippe der emotionale Leitwolf war, verkörperte Rückraum-Ass Schmidt den Chef fürs Rationale. Der stellvertretende Kapitän hat einen enormen Anteil am Ligaverbleib der Eulen.
Die Opferbereitschaft endete im Krankenhaus. David Schmidt ist am Dienstag in Kaiserslautern an der Leiste operiert worden. Er hatte eine „Sportlerleiste“. Diese Blessur setzte dem 24 Jahre alten Schmidt sehr zu. Es war wohl eine Folge seiner Adduktorenverletzung zu Rundenbeginn. Da fiel der Rückraumspieler wochenlang aus. Einen Monat vor dem Saisonende kamen die Schmerzen wieder, und zwar heftig. Schmidt schluckte Schmerzmittel, trainierte nur zweimal die Woche. Ohne Schmerzmittel war an Spiele nicht zu denken. Schmidt biss auf die Zähne. Für ihn war undenkbar, seine Mannschaft im Stich zu lassen. „Für mich ist es selbstverständlich, bis zum Schluss alles für die Mannschaft und den Verein zu geben, denn ich habe 15 Freunde in der Kabine sitzen“, sagte Schmidt. Starke Worte, die er aber auch lebte. Diese Anekdote sagt sehr viel aus über David Schmidt. Der Rückraumspieler ist kein Masochist. Er ist ein intelligenter Mensch, der sein Studium der Betriebswirtschaftslehre zu Ende gebracht hat und der eine äußerst professionelle Einstellung vorlebt. Loyalität schreibt er groß. Während Kai Dippe der emotionale Anführer war und ist, war Schmidt der Chef fürs Rationale. Im Grunde war er der heimliche Chef im Team. Schmidt genoss und genießt immer noch höchstes Ansehen bei den Eulen und auch bei vielen anderen Bundesliga-Teams. Seine Worte hatten Gewicht. Niemand widersprach Schmidt, wenn er beispielsweise bei den Spielern abkassierte. Er war mit Roko Peribonio Kassenwart. Wer beispielsweise zu spät zum Treffpunkt kam, musste in die Mannschaftskasse einzahlen. Schmidt ist zwar kein Pedant, ihm aber ging es um die professionelle Einstellung. Die Mannschaft stand im Vordergrund. Wenn einer zu spät kam, litt der Rest. Bei Schmidt litten aber oft auch die Gegner. Denn der Modellathlet gehört mittlerweile zu den wirklich guten Bundesligaspielern – in Angriff und Abwehr. Frisch Auf Göppingen und TVB Stuttgart buhlten früh in der Saison um ihn. Er entschied sich für Stuttgart. Die Eulen gingen mit ihrem Angebot bis an die Schmerzgrenze, reichten aber nicht an die Offerte der Schwaben heran. „Ich bin ein Mensch der kleinen Schritte“, erklärte Schmidt seine Entscheidung. Bei den Eulen entwickelte er sich in den vergangenen drei Jahren jedoch mit Riesenschritten. Er wurde in dieser Zeit zur Führungspersönlichkeit. Professionell, loyal, redegewandt, charismatisch – Schmidt hat alles, um ein Star zu werden. Stuttgart wird wohl nur eine Durchgangsstation bleiben. Bei den Eulen war Schmidt der Spieler der Saison. Keiner hat so viele Tore erzielt wie er, obwohl Schmidt lange verletzt war. Sein Abgang ist ein enormer Verlust für den Verein – menschlich und sportlich.