Politik Zur Sache: Das Giftgas, der Gegenschlag – und was die Bundesregierung weiß

Wer hat mit Giftgas angegriffen?

Letztlich weiß die Bundesregierung das nicht. Am Mittwoch, also einen Tag nach dem Giftgasangriff, ließ die Kanzlerin erklären: „Auch wenn in diesem Fall die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass die Verantwortlichkeit des Assad-Regimes für Chemiewaffeneinsätze in der Vergangenheit bereits nachgewiesen wurde.“ Gestern legten sich Merkel und Frankreichs Präsident Hollande nach dem US-Schlag in einer gemeinsamen Erklärung fest: „Präsident Assad trägt die alleinige Verantwortung für diese Entwicklung.“ Ein Sprecher im Auswärtigen Amt sagte dazu, es sei „sehr, sehr plausibel“, dass das Assad-Regime für den Giftgasangriff verantwortlich sei. Plausibel? Woher weiß die Bundesregierung das? Die Einschätzung der Bundesregierung, wonach das Assad-Regime mit hoher Plausibilität für die Giftattacke verantwortlich ist, basiert auf Quellen, die Berlin im Detail nicht preisgibt. Allgemein hieß es gestern, Partner wie die USA, Frankreich und die Türkei hätten Informationen geliefert. Ferner lägen der Bundesregierung Berichte vor, „die wir durch unsere Kontakte vor Ort in der Region erhalten haben“. Was sagt die Kanzlerin zu Trumps Gegenschlag? Die gemeinsame Erklärung von Merkel und Hollande ist allgemein gehalten: „Sein (Assads, Anmerkung der Redaktion) wiederholter Einsatz von chemischen Waffen und seine Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung verlangten eine Sanktionierung, wie Frankreich und Deutschland sie bereits im Sommer 2013 nach dem Massaker von Ghuta gefordert hatten. Frankreich und Deutschland werden mit ihren Partnern und im Rahmen der Vereinten Nationen ihre Bemühungen fortsetzen, um Präsident Assad für seine verbrecherischen Taten zur Verantwortung zu ziehen.“ In einer späteren Stellungnahme nannte Merkel Präsident Trumps Luftschlag dann „angemessen“. Was meint SPD-Chef Schulz zum Angriff der USA? Das ist gestern nicht ganz klar geworden. Schulz sagte: „Der Vorrang für diplomatische Lösungen darf nicht aufgegeben werden, weil wir alle sehen: Militärisch wird es am Ende nur Verlierer geben.“ Schulz’ Parteifreund Außenminister Gabriel äußerte sich so: „Dass die Vereinigten Staaten jetzt mit einem Angriff gegen die militärischen Strukturen des Assad-Regimes reagiert haben, von denen dieses grausame Kriegsverbrechen ausging, ist nachvollziehbar.“ Ist Trumps Militärschlag vom Völkerrecht gedeckt? Dazu äußerte sich die Bundesregierung gestern weder mit einem klaren Ja noch mit einem Nein. Außenamtssprecher Fischer verwies darauf, dass der Einsatz von Giftgas gegen das humanitäre Völkerrecht verstoße. In der Vergangenheit seien dem Assad-Regime entsprechende Vergehen nachgewiesen worden. In einer Resolution des UN-Sicherheitsrats aus dem Jahr 2013 sei Syrien untersagt worden, Chemiewaffen zu besitzen oder zu benutzen. Bei Zuwiderhandlung würden „Maßnahmen unter Kapitel VII der UN-Charta“ verhängt. „Kapitel VII“ ist das Codewort für militärische Eingriffe. Fischer wies allerdings darauf hin, dass der UN-Sicherheitsrat in Syrienfragen derzeit blockiert sei. Indes: Der Hinweis auf die von Fischer angeführte UN-Resolution beantwortet die Frage nicht. Denn in dem vor vier Jahren gefassten UN-Beschluss ist kein Automatismus eingebaut, wonach syrischer Giftwaffeneinsatz ohne weitere UN-Beschlüsse militärische Sanktionen nach sich ziehen.

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