Politik Wie die Rückkehr eines Rockstars

Der Journalist Deniz Yücel umarmt seine Ehefrau Dilek.
Der Journalist Deniz Yücel umarmt seine Ehefrau Dilek.

36 Tage nach seiner Freilassung aus dem Hochsicherheitsgefängnis Silivri bei Istanbul soll der mehr als ein Jahr lang ohne Anklage inhaftierte deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel zum ersten Mal wieder auftreten. Ausgewählt wurde dafür ein Festsaal in Kreuzberg, dem linken Berliner Stadtbezirk, wo der gebürtige Hesse 20 Jahre lang lebte. Um 20 Uhr soll es losgehen, die Minuten verrinnen. Das ausverkaufte Haus wird langsam unruhig, wartet wie vor einem Rockkonzert auf den Star des Abends. Dann reden noch die taz-Redakteurin Doris Akrap, die Yücels neues Buch herausgegeben hat, und sein Anwalt Veysel Ok, neben Yücels Frau Dilek der Einzige, der ihn regelmäßig in der Haft besuchen durfte. Und es wirkt leicht befremdlich, wie der Rechtsbeistand schließlich seinen zum Freund gewordenen Klienten auf die Bühne holt: „Und jetzt, meine Damen und Herren, präsentiere ich Ihnen Deniz Yücel.“ Es ist 20.36 Uhr, als frenetischer Jubel aufbrandet. Deniz Yücel weiß selbst wohl nicht so genau, wie er mit seinem neuen Kultstatus umgehen soll. Der 44-Jährige, dessen Inhaftierung eine neue Eiszeit in den deutsch-türkischen Beziehungen begründet hat, verbeugt sich und winkt in die Menge. Er bekennt, wie angespannt er vor dieser öffentlichen Rückkehr gewesen ist: „Das ist für mich jetzt nicht ganz so einfach – ich versuche, nicht sofort loszuheulen.“ Neben der großen öffentlichen Unterstützung sind es aus seiner Sicht die vielen kleinen Widerstandsmomente gewesen, die ihm die Isolationshaft in dem Gefängnis irgendwie erträglich gemacht haben. Er hält eine türkische Ausgabe des „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry in die Höhe. Mit einem heimlich in die Zelle geschmuggelten Stift hat er alle Leerflächen des Buches mit seinem eigenen Haftbericht vollgeschrieben, der über den Anwalt Ok nach draußen gelangte. „Du findest immer einen Weg“, sagt Yücel dazu: „Hauptsache man ergibt sich nicht.“ Lange kann er seine Rührung zurückhalten. Erst später, als Dilek, die mit ihren bunten Briefen, so Deniz Yücel, „ein bisschen Farbe und Freude in mein Leben im Gefängnis gebracht hat“, ein Gedicht aus diesen Schreiben vorträgt, brechen die Dämme. „Unsere Himmel können sie nicht trennen“, lautet der Hoffnungsschlusssatz, nach dem sich das Paar innig umarmt, Tränen der Freude fließen und dem Publikum ein Kloß im Hals steckt.

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