Politik Schießereien in den USA: „Es wird weitergehen, wir alle wissen das“

Wie es häufig der Fall ist nach einer solch unfassbaren Tat wie der am Sonntagabend in Las Vegas, ist in Washington eine Waffendebatte in Gang gekommen, ein Diskurs, dem Skeptiker prophezeien, dass er schon bald im Sande verlaufen wird.

„Das muss aufhören“, fordert der Demokrat Chris Murphy, ein Senator aus dem Neuenglandstaat Connecticut. In den USA seien Massenschießereien zu einer Epidemie geworden. Ihn packe die Wut, wenn er sehe, wie ängstlich sich viele seiner Kollegen vor der Waffenlobby wegduckten, vor einer Lobby, die regelmäßig zum Spendenscheck greife, um die Wahlkämpfe für den Kongress zu finanzieren, vor allem jene der Republikaner. „Sie haben solche Angst, dass sie behaupten, es könne keine politischen Antworten auf diese Epidemie geben“, wettert Murphy. Es gebe sie aber, und die Gebete von Politikern hörten sich hohl an, wenn ihnen nicht endlich Gesetze gegen den Waffenwahn folgten. Nach dem Blutbad von Las Vegas hat der US-Kongress gestern aber ein umstrittenes Gesetzesvorhaben zum Waffenrecht auf Eis gelegt. Der Entwurf zielt darauf ab, den Kauf von Schalldämpfern zu erleichtern. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, sagte gestern, eine Abstimmung über das Vorhaben sei vorerst nicht angesetzt. Allerdings glaubt kaum jemand, dass an den Waffengesetzen gerüttelt wird. In der jüngeren Vergangenheit ist jeder Anlauf zu einer Verschärfung der Waffengesetze am Widerstand von Volksvertretern gescheitert, die sich auf den zweiten Zusatzartikel zur Verfassung der USA berufen. Auf das 1791 beschlossene „Second Amendment“, welches das Recht auf privaten Waffenbesitz garantiert, einer Logik folgend, nach der es die Milizen freier Bürger seien, die die junge Demokratie notfalls vor der Tyrannei retten. Nicht einmal im Dezember 2012, als die Nation nach dem Mord an 20 Erstklässlern in einer Grundschule in Newtown schockiert war wie nach kaum einem anderen Amoklauf, vermochte der Kongress den Trend zur privaten Aufrüstung umzukehren. Zu mächtig war die Stimme Wayne La Pierres, des Sprechers der National Rifle Association (NRA), der verlangte, jetzt vielmehr die Schulen umgehend aufzurüsten. Auch als im Juni 2016 ein Einwanderersohn namens Omar Mateen in einem Schwulenclub in Orlando 49 Menschen tötete, blieb alles beim Alten. Immerhin residierte damals mit Barack Obama ein Präsident im Weißen Haus, der beklagte, wie einfach es sei, an Schusswaffen zu gelangen. Sein Nachfolger Donald Trump hat das Wort Waffenkontrolle nach dem Schrecken von Las Vegas weder erwähnt, noch lässt seine Vorgeschichte erwarten, dass er sich für strengere Regeln einsetzen wird. Im Duell mit Hillary Clinton zählte auch die NRA zu Trumps Stützen, und deren rund fünf Millionen Mitgliedern versprach er auf Wahlkampfbühnen, er werde am Status quo keinesfalls rütteln. Der scheinbar festgezurrte Status quo: Wie ihn James Fallows skizziert, ein hoch angesehener Kolumnist der Zeitschrift „The Atlantic“, klingt es resigniert – und zugleich sarkastisch. Es gebe zwei dunkle Wahrheiten, schreibt Fallows. Erstens werde man diese Schießereien nicht stoppen, „es wird weitergehen, wir alle wissen das, was die unmittelbare Woge der Trauer noch schlimmer macht“. Zweitens sei jedem klar, „dass sich alles an der Berichterstattung und den politischen Reaktionen ändert, wenn sich herausstellt, dass der Killer ,bloß’ ein weißer amerikanischer Mann ist, dessen Name nicht nach einem Migranten klingt“. Man stelle sich vor, der Name des Täters hörte sich arabisch an, dann wäre dies jetzt eine neue Episode des Dschihad. Hätte es sich bei dem Schützen um einen Mexikaner gehandelt, wären sofort die Gefahren der Einwanderung an die Wand gemalt worden, folgert der Kolumnist Fallows: „Und wäre es ein Schwarzer gewesen, dann zittere ich bei dem Gedanken, mir die Folgen vorzustellen.“

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