Politik Präsidentenvilla mit dunkler Vergangenheit

Die heutige Dienstvilla des Bundespräsidenten im noblen Berliner Stadtteil Dahlem wurde im Februar 1933 von ihrem jüdischen Besi
Die heutige Dienstvilla des Bundespräsidenten im noblen Berliner Stadtteil Dahlem wurde im Februar 1933 von ihrem jüdischen Besitzer weit unter Wert verkauft.

Frank-Walter Steinmeier ist seit 22. März Bundespräsident. Sein Vorgänger Joachim Gauck hat die Koffer gepackt und ist aus der Dienstvilla in Berlin-Dahlem ausgezogen. Sein Nachfolger wartet aber ab. Denn immer noch ist nicht geklärt, wie angemessen an den ursprünglichen Besitzer, einen jüdischen Perlenfabrikanten, erinnert werden soll.

Fast überall in Deutschland erinnern die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig an verfolgte und ermordete Juden, eingelassen in den Boden vor dem einstigen Wohnhaus, versehen mit Namen und Lebensdaten. Vor der repräsentativen 400-Quadratmeter-Villa in der Berliner Pücklerstraße fehlt jedoch bisher ein Stolperstein mit dem Namen Hugo Heymann. Der Unternehmer jüdischen Glaubens, der durch die Produktion von Kunstperlen zu einem großen Vermögen gekommen war, hatte das Haus Anfang Februar 1933 für 86.000 Reichsmark verkauft – an den Potsdamer Waldemar Gerber, einen Verleger mit guten Beziehungen zu den oberen Etagen der NSDAP. Erworben hatte Heymann das mehr als 1600 Quadratmeter große Anwesen samt Villa sechs Jahre zuvor – für 150.000 Reichsmark. In den Ausbau des Hauses steckte der Kaufmann weitere 20.000 Reichsmark. Dass Heymann sein Haus im Februar 1933 veräußerte, obwohl der Immobilienmarkt am Boden lag, ist nicht verwunderlich. Schon vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 war das gesellschaftliche Klima vergiftet, gerieten Menschen jüdischen Glaubens immer mehr unter Druck. Unternehmer Heymann und seine nicht-jüdische Frau Maria wollten daher die Heimat schnell verlassen, auch wenn sie durch den überstürzten Verkauf ihres Hauses viel Geld verlieren würden. Jahrzehnte lang kümmerte sich niemand um die Geschichte des Hauses, das nicht nur die Bundespräsidenten Joachim Gauck und Christian Wulff beherbergt hat, sondern auch dem dem damaligen Bundeskanzler Schröder als Unterkunft diente, bis dessen Dienstwohnung im neuen Kanzleramt fertig war. Anfang 2014 trat der Historiker Julien Reitzenstein an das Bundespräsidialamt heran. Er habe das Amt über das Schicksal des Vorbesitzers informiert und ein Gedenken in Form von Stolpersteinen vor der Villa angeregt, sagt er. Die Stolpersteine seien bereits 2014 von privater Seite bestellt und bezahlt worden, die Verlegung sei für November 2015 geplant gewesen. Nach einem Gespräch zwischen der Stolperstein-Initiative und dem Bundespräsidialamt sei sie jedoch abgeblasen worden. Das Bundespräsidialamt dagegen argumentiert, die Entscheidung obliege gar nicht ihm, sondern dem Bezirk Dahlem und der Stolperstein-Initiative. „Bevor ich als neuer Bundespräsident die Wohnung in der Dienstvilla nutze, werde ich sicherstellen, dass eine Verständigung über ein angemessenes Gedenken hergestellt ist“, griff der Bundespräsident nun in die Debatte ein. Ein angemessenes Gedenken halte er „ausdrücklich für angebracht“, sagte Steinmeier dem „Spiegel“ . Entscheidungshilfe soll ein Gutachten des NS-Forschers Michael Wildt geben, das Steinmeiers Vorgänger Gauck in Auftrag gegeben hat und das seit Dezember 2016 vorliegt. Darin erklärt der Forscher, die Hintergründe des Verkaufs seien nicht eindeutig zu klären und der Wertverlust sei „nicht darauf zurückzuführen, dass Heymann als Jude erpressbar war“. Für Diskriminierung spreche eher, dass der Besitzer zu diesem ungünstigen Zeitpunkt verkaufen wollte. Heymann sollte es nicht schaffen, das Land zu verlassen. Er scheiterte an den bürokratischen Hürden, die das NS-Regime aufgebaut hatte. Am 5. Juni 1938 starb er – höchstwahrscheinlich an Verletzungen, die er bei einem Verhör durch die Gestapo erlitten hatte. Seine Witwe versuchte 1951 vergeblich, in einem Restitutionsverfahren die Villa zurückzuerhalten. Daran zu erinnern, sollte eigentlich selbstverständlich sein – egal ob mittels Gedenktafel oder Stolperstein.

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