Brexit London legt im Streit um Nordirland-Protokoll nach

Noch immer ist der Brexit nicht so gelöst, dass alle zufrieden sind. London macht weiter Druck auf die EU, beim ausverhandelten
Noch immer ist der Brexit nicht so gelöst, dass alle zufrieden sind. London macht weiter Druck auf die EU, beim ausverhandelten und unterschriebenen Nordirland-Protokoll neue Zugeständnisse zu machen.

Nach Vorstellung eines ganzen Pakets an Vorschlägen aus Brüssel zu den Brexit-Regeln für Nordirland hat die Regierung in London „intensive Gespräche“ mit EU-Vertretern angekündigt. London will aber dabei nach wie vor nicht den EuGH als Kontrollinstanz akzeptieren.

Ein britischer Regierungssprecher erneuerte die Kritik Londons am Europäischen Gerichtshof als Kontrollinstanz zur Einhaltung des sogenannten Nordirland-Protokolls – und erntete prompt Gegenwind von EU-Seite. „Ohne Europäischen Gerichtshof gibt es keinen Binnenmarkt“, erklärte der EU-Botschafter in London, João Vale de Almeida.

Der EU-Brexit-Beauftragte Maros Sefcovic hatte am Mittwochabend erhebliche Erleichterungen für den Warenverkehr zwischen Großbritannien und Nordirland in Aussicht gestellt. Die Checks zu Qualitätsstandards bei Lebensmitteln und andere Waren sollen dadurch um bis zu 80 Prozent verringert werden. Medikamente sollen ohne Einschränkungen in die britische Provinz gelangen können. Zollformalitäten sollen um die Hälfte verringert werden. Für landestypische Produkte wie Würstchen soll es Ausnahmen geben.

Vertrackter Sonderstatus

Das zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland hat durch das Brexit-Abkommen einen Sonderstatus erhalten. Anders als England, Schottland und Wales unterliegt die Provinz weiterhin den Regeln des europäischen Binnenmarkts und der Zollunion. Hintergrund ist, dass die Grenze zum EU-Mitglied Republik Irland offen bleiben soll, um einen neuerlichen Ausbruch des gewalttätigen Konflikts zwischen Befürwortern einer Wiedervereinigung der beiden Teile Irlands und den Anhängern der Union Nordirlands mit Großbritannien zu verhindern.

Weil die britische Regierung sich aber von EU-Standards lösen und neue Handelsabkommen in aller Welt schließen will, wurden Warenkontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland vereinbart. Das führte teilweise zu Schwierigkeiten im innerbritischen Handel. London erklärte das Protokoll daher für gescheitert und verlangte eine Neuverhandlung.

Die EU-Kommission sei mit ihren Vorschlägen einen Schritt weitergegangen als bisher und habe „nie dagewesene“ Maßnahmen ergriffen, um den durch den Brexit entstandenen Problemen in Nordirland zu begegnen, sagte der EU-Botschafter in London, João Vale de Almeida, im BBC-Fernsehen am Mittwochabend.

Irland lobt EU-Angebot

Auch Irlands Premier Micheal Martin lobte den Vorstoß der EU. „Es ist ein ernsthafter, hart erarbeiteter, einfühlsamer und engagierter Ansatz“ sagte der irische Regierungschef. Sefcovic habe sich mit allen Seiten in Nordirland beraten, sagte Martin weiter.

Ob die britische Seite es tatsächlich ernst meint, wurde am Donnerstag erneut in Zweifel gezogen: Premierminister Boris Johnson habe bereits vor Unterzeichnung des Nordirland-Protokolls deutlich gemacht, dass er sich nicht daran halten wolle, berichtete ein nordirischer DUP-Abgeordneter im Gespräch mit der BBC. „Boris Johnson hat mir persönlich gesagt, dass er sich nach Zustimmung zu dem Protokoll dafür einsetzen werde, es zu ändern und sogar in Stücke zu reißen“, sagte Ian Paisley.

Zweifel an der Aufrichtigkeit der britischen Regierung hatte vor wenigen Tagen auch Johnsons ehemaliger Chefberater Dominic Cummings gesät. Er selbst habe nie vorgehabt, sich an das Protokoll zu halten, so der inzwischen im Streit ausgeschiedene Ex-Regierungsberater auf Twitter.

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