Politik Lieber pragmatisch die Welt retten

Die Grünen in Bayern punkten mit Zukunftsfröhlichkeit und hoffen auf Regierungsbeteiligung. „Am Spielfeldrand in Schönheit sterben“ – das will Katharina Schulze, Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am Sonntag, nicht.

Sie strahlt. Übers ganze Gesicht. Aber wann strahlt sie eigentlich nicht? Das Lächeln, das Lachen mit blitzblanken Zähnen, das Strahlen – das ist Katharina Schulzes Markenzeichen, und zu keinem Moment wirkt das aufgesetzt. Diese Frau ist einfach so. Kein anderer, keine andere im bayerischen Wahlkampf versprüht so viel an Optimismus, an Unbekümmertheit und Fröhlichkeit wie die Spitzenfrau der Grünen. Jung ist sie außerdem, gerade mal 33 Jahre und unverbraucht. Von ihr, das registriert man so irritiert wie neidisch bei der regierenden CSU, geht Ansteckungsgefahr aus: Auf 18 Prozent kommen Bayerns Grüne in den Umfragen; sie liegen damit mehr als doppelt so hoch wie bei der Landtagswahl vor fünf Jahren. Katharina Schulze strahlt nicht deswegen. Immer wieder streut sie ein, was sie früher als Handballspielerin gelernt hat: „Man jubelt nicht nach der ersten Halbzeit. Abgepfiffen wird am Wahlabend.“ Der TSV Herrsching am Ammersee, wo sie aufgewachsen ist, hat Schulze als Kreisläuferin eingesetzt. Als Torjägerin. „Durchsetzungsvermögen und Wurfkraft“ seien auf dieser Position verlangt, liest man dazu im Lexikon, „Fangfähigkeit, richtiges Zeitgefühl, Variantenreichtum“. Diesen Handball hat Schulze intus. Jetzt ist sie Politikerin. Jetzt steht sie wieder genau vorm Tor. Jetzt will sie wieder treffen. Den Ball aufnehmen mit dem Rücken zu einem Gegner, der sie in fünf Landtagsjahren durchaus fürchten gelernt hat, blitzschnelle Drehung – zack. Als Pokal lockt die Regierungsbeteiligung. „Und ich bin nicht angetreten, um am Spielfeldrand in Schönheit zu sterben. Ich will gestalten“, sagt sie. Ministerpräsident Markus Söder und die anderen starken Männer von der CSU schmähen die Grünen als „Verbots- und Bevormundungspartei“, als „Miesmacher“, als Gefahr für Sicherheit und Wohlstand. Am Strahlen von Katharina Schulze perlt das alles ab. Die Grünen, bestätigt der Parteienforscher Werner Weidenfeld von der Universität München, hätten „eine richtig positive Zukunftsausstrahlung.“ Von Öko-Verbissenheit keine Rede mehr. Schulze sagt: „Wir wollen eine Politik, die Mut macht und nicht Angst.“ Auch wenn’s die CSU dauernd unterstellt: Ideologie sucht man bei Schulze vergebens. Mit Winfried Kretschmann, dem Grünen-Regierungschef im Bundesland nebenan, teilt sie das Motto, sie wolle „lieber pragmatisch die Welt retten“. Und gänzlich irritiert die Herrschenden in München, dass die Grünen nicht an allem nur herumnörgeln, sondern einen Ansatz gekapert haben, den die heimatbesessene CSU glaubte in Alleinpacht zu besitzen. Mit richtig viel Lob ziehen Schulze und die anderen durch den Wahlkampf, mit unverkrampftem Lob auf „unser schönes Bayernland“. Das wollen sie erhalten und retten. Gemeinsam mit Ludwig Hartmann (40) bildet „Katha“ das grüne Spitzenkandidaten-Duo. Die beiden führen auch die 18-köpfige Fraktion im Landtag. Wer in diesem Duo welche Rolle spielt, ist müßig zu analysieren; politische Vollprofis sind sie beide, und sie harmonieren offenbar bestens. Nur sind sie beide faktisch Münchner, Großstadt-Politiker also, während – wie es die „Tageszeitung“ zusammenfasst – „draußen auf dem Land frustrierte CSU-Wähler geradezu darauf warten, von den Richtigen abgeholt zu werden“. Und so breit vertreten in der kommunalpolitischen Basis, wie es die Grünen in Baden-Württemberg bei ihrem Weg zur Regierung waren, sind die Parteifreunde in Bayern lange nicht. Im Landtag hat sich „Katha“ in ein Thema gestürzt, um das Grüne lieber einen Bogen machen: als „Innenpolitikerin voller Leidenschaft“ hat sie sich tief in Sicherheits- und Polizeifragen eingearbeitet; auf Streife ist sie mitgefahren, Nachtschichten auf Polizeiwachen hat sie mitgemacht, sich Respekt erworben. „Starke, durchsetzungsfähige, gut ausgestattete Institutionen“ brauche der Rechtsstaat, sagt sie. Wer ihr vorhält, gerade in Bayern – sagen wir: zu „Wackersdorf“-Zeiten im Kampf gegen eine atomare Wiederaufarbeitungslage vor gut 30 Jahren – da hätten die Grünen eine ganz andere Haltung gegenüber der Polizei gepflegt, dem antwortet Schulze knapp: „Und heute haben wir 2018.“ Dass die Grünen zweitstärkste Partei werden könnten, dieser Trend verfestigt sich in den Umfragen. Und die CSU könnte einen Koalitionspartner brauchen. Nur hat Hartmann im Sommer ausdrücklich festgehalten: „Mit so einer“ CSU wollten die Grünen nicht regieren. „Hass und Hetze“ des Söder-Lagers wolle man nicht mittragen. Heute hat die CSU ihre Rhetorik abgemildert, sie trägt den Zuwanderungskompromiss der großen Koalition mit und hat etwas eingezogen, was die Grünen lange fordern: eine Art „Brandmauer gegen Rechts“. Also dann? „Mit uns kann man immer über ökologische und gerechte Politik reden, nicht aber über eine autoritäre und antieuropäische.“ So haben Schulze und Hartmann die Linie festgelegt. Dann muss nur noch die CSU wollen. Da gibt es Radikale wie Fraktionschef Thomas Kreuzer. Er will kein Schwarz-Grün. Söder hat sich auch schon so geäußert. Nur ist bei ihm aus dem „nicht vorstellbar“ mittlerweile ein „kaum vorstellbar“ geworden. Der Wahlabend wird’s weisen.

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