Politik Leitartikel: Wider das System

Die AfD hat sich entschieden. Sie will bis auf Weiteres

nicht politisch gestalten. Die Partei will stattdessen

im System gegen das System arbeiten.

Fischen an den Rändern des

politischen Spektrums ist auch

künftig Teil der AfD-Strategie.

Die AfD fünf Monate vor der Bundestagswahl. Wo steht sie? Sie hat sich programmatisch positioniert. Ihr Wahlprogramm hat eine national-konservative Anmutung. Zugleich liegen im Sprechzettelkasten für den Wahlkampf bis zum 24. September rechtspopulistische Stichworte. Populismus ist so gut wie keiner Partei fremd. Aber andere Parteien haben sich Leitplanken eingezogen, innerhalb derer sie sich politisch bewegen sollten. Leitplanken hegen radikale Strömungen ein beziehungsweise schließen sie aus. Frauke Petry, eine der beiden Vorsitzenden, wollte der AfD Leitplanken einziehen. Sie wollte eine strategische Entscheidung herbeiführen. Die Partei sollte sich demnach auf Realpolitik einlassen. Sie sollte sich breiteren Bevölkerungsschichten als wählbar präsentieren, indem sie politisch Randständigem entsagt. Die Partei sollte letztlich als Konsequenz daraus Teil der Kompromissrepublik Deutschland werden. Petry ist gescheitert – und zugleich auf offener Bühne demontiert worden. Auch Demontage der Führungsspitze, Intrigen, Diadochenkämpfe, Hinterzimmermauschelei oder egomanische Feldzüge sind anderen nicht fremd. AfD-Vertreter sind dagegen flugs zur Stelle, derartige Vorgänge in der eigenen Glaubenskongregation als Kinderkrankheiten einer noch jungen Partei kleinzureden. Ganz falsch ist das nicht, wie Grüne, Linke oder Piraten sich noch erinnern. Aber in Köln ist mehr geschehen, als Petry nur einen gepfefferten Denkzettel zu verpassen. Die Partei hat sich ganz bewusst dafür entschieden, den Parlamentarismus nicht als Ort der Gestaltung zu nutzen, sondern als Bühne zum Kampf gegen das von ihr verachtete System der „Altparteien“ und – abstrus, als herrschten hierzulande nordkoreanische Zustände! – zum Kampf für die angebliche Wiederherstellung der Demokratie. Konkret bedeutet das auch: Fischen an den Rändern des politischen Spektrums, wie es von den Björn Höckes und Andre Poggenburgs im rechten Sumpf längst betrieben wird, ist ausdrücklich auch künftig Teil der AfD-Strategie. Starke Demokratien und Parlamente, wie die deutschen, halten auch derartiges Treiben aus. Und AfD’ler mögen einwenden: Eine junge Partei müsse polarisieren, polemisieren und provozieren, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ferner: Eine junge Partei könne erst dann gestalten, wenn sie eine kritische Größe erreicht hat, programmatisch einigermaßen breit aufgestellt und personell gut bestückt ist. Da ist was dran, innerhalb gewisser Grenzen. Das aber sind taktische Argumente einer Partei. Sie müssen die Wähler nicht interessieren. Sie sind dem Wähler in der Legislaturperiode 2017 bis 2021 von keinem praktischen Nutzen. Was also soll ein Wahlprogramm, das erklärtermaßen gar nicht umgesetzt werden soll, wenn die AfD nicht die absolute Mehrheit bekommt, was realistischerweise nicht zu erwarten ist. Koalieren will die AfD auch nicht, wie es der Ko-Vorsitzende Jörg Meuthen mit Blick auf die in den Landtagen und im Bundestag vertretenen Parteien ausgedrückt hat: Mit „diesen Figuren“ werde die Partei keine Koalition eingehen. Nach Köln wissen die Wähler: Die AfD will bis auf Weiteres nicht gestalten. Sie will stattdessen die Bühne des verachteten Systems nutzen, um publikumswirksam Systemkritik zu betreiben oder sogar, wenigstens in Teilen, das System zu überwinden. Immerhin herrscht Klarheit. Und die Bürger haben die Wahl am 24. September.

x