Politik Leitartikel: Vertrauen verspielt

In der Marktwirtschaft ist Vertrauen eine ungeheuer wichtige Währung.

Die Autokonzerne haben das Vertrauen ihrer Kunden missbraucht und damit sich und der deutschen Wirtschaft einen Bärendienst erwiesen. Kunden, Gesellschaft und die in

Teilen gutgläubige Politik wurden schlicht für dumm verkauft.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – so mancher mag sich angesichts des Diesel-Skandals und der im Raum stehenden Kartell-Vorwürfe gegen fünf deutsche Autobauer an diese Lenin-Parole erinnern. Offensichtlich hat, das müssen sich die zuständigen Behörden, vor allem aber die Politik vorhalten lassen, die Kontrolle versagt – beziehungsweise es wurde gar nicht erst ausreichend kontrolliert. Wenn CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt die Autohersteller jetzt an ihre „verdammte Verantwortung“ erinnert, dann klingt das bizarr und wirft die Frage nach Dobrindts eigener Verantwortung auf. War es doch nicht zuletzt der Verkehrsminister, der lange Zeit alle Mahnungen und Warnungen zu ignorieren schien und die Situation noch schönredete, als die dunklen Wolken am Auto-Himmel längst nicht mehr zu übersehen waren. Ähnlich seltsam wirken Vorschläge, Diesel-Pkw, die die Euro-6-Norm erfüllen, steuerlich zu begünstigen. Abgesehen davon, dass offenbar auch nicht alle Euro-6-Diesel halten, was die Hersteller versprechen: Glaubt wirklich jemand, so lasse sich wieder herstellen, was Manager in Deutschlands führender Industriebranche offensichtlich mutwillig und nachhaltig beschädigt haben: Vertrauen? Der Wert von Vertrauen lässt sich kaum in Euro und Cent bemessen. Aber Vertrauen ist in unserem marktwirtschaftlichen System die vielleicht wichtigste Währung. Es ist rasch verspielt und nur schwer wieder zurückzugewinnen. Denn niemand zwingt uns Kunden dazu, genau dieses oder jenes Produkt zu kaufen. Entschließen wir uns doch zum Kauf, spielen unterschiedliche Motive eine Rolle: der Preis, gegebenenfalls auch das Aussehen oder die Frage, ob der Gegenstand „in“ ist. Gerade bei langlebigen, teuren Gütern aber vertrauen viele Kunden darauf, dass das Produkt die technischen Versprechen der Produzenten auch erfüllt. Das gilt auch und besonders beim Autokauf. Der Preis spielt hier zwar eine wichtige, aber häufig nicht die entscheidende Rolle. Denn obwohl es billigere Alternativen gibt, entscheiden sich viele Kunden im In- und Ausland für deutsche Pkw. Aus Prestigegründen, aber auch, weil sie darauf vertrauen, dass sie sich auf die Angaben der Hersteller im Großen und Ganzen verlassen können – die Einschränkung ist notwendig, weil beispielsweise beim Treibstoffverbrauch die Angaben und der tatsächliche Verbrauch notorisch auseinanderklaffen. Nun aber sieht es so aus, dass das Vertrauen der Käufer von Diesel-Fahrzeugen grob missbraucht wurde, dass den Kunden für teures Geld Wagen angedreht wurden, deren Wiederverkaufswert sich drastisch reduzieren könnte, ja, die unter Umständen mit Fahrverboten belegt werden. Und das Ganze scheint kein einzelner Ausrutscher, sondern systemisch gewesen zu sein. Die Kunden, die gesamte Gesellschaft und auch die in Teilen gutgläubige Politik wurden schlicht für dumm verkauft. Es geht hier ausdrücklich nicht um die Debatte, inwieweit eine bestimmte Technologie nutzt oder schadet. Es geht darum, dass Zusagen gemacht wurden, die die Hersteller aus technischen Gründen nicht einhalten konnten oder aus Profit-Motiven nicht einhalten wollten, dass Kunden belogen wurden. Wer wird diesen Konzernen noch Glauben schenken, wenn sie eines Tages verkünden, jetzt würden die Abgasnormen aber tatsächlich und ganz sicher eingehalten? Mit ihrem Verhalten haben die Autobauer sich selbst, möglicherweise sogar der gesamten deutschen Wirtschaft einen kaum fassbaren, nur schwer zu korrigierenden Bärendienst erwiesen.

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