Politik Leitartikel: Es wird ungemütlich

Der Konflikt mit den USA um Strafzölle und das Iran-Abkommen zeigt:

Gegenüber knallharter, nationaler Machtpolitik hat die EU

keine wirklich überzeugende Strategie. Die EU steht für internationale

Zusammenarbeit – und damit im

Widerspruch zu Trump.

Bei der Wirtschaftskraft in etwa gleich stark, in Sachen Bevölkerung sogar im Vorteil: Auf den ersten Blick kann die EU den USA handels- und wirtschaftspolitisch auf Augenhöhe begegnen. Die zwischen Zorn und Ohnmacht schwankenden Reaktionen der Europäer auf die drohenden US-Strafzölle und die Aufkündigung des Iran-Abkommens durch die USA zeigen aber: Tatsächlich hat die EU einem US-Präsidenten wenig entgegenzusetzen, der wie ein Berserker kurzerhand tragende Pfeiler der internationalen Ordnung einreißt, der auf Vertragstreue, Freihandel und gemeinsame Werte pfeift, wenn er sich davon einen Vorteil für die USA und insbesondere für sich selbst verspricht. Das zeigt sich exemplarisch am Iran-Abkommen, an dem die EU aus nachvollziehbaren Gründen festhalten will. Aber glaubt denn jemand im Ernst, irgendein verantwortungsvoll handelndes Unternehmen werde sich auf vagen Beistand durch so etwas wie die von der EU eilends hervorgekramte „Building“-Verordnung verlassen, wenn es vor folgender Frage steht: Engagiere ich mich weiter in Iran und setze damit meine Geschäftsbeziehungen zu den USA aufs Spiel? Wenn aber für Iran die wirtschaftlichen Vorteile, die das Abkommen bietet, wegfallen, wird ihm auch Teheran früher oder später den Rücken kehren. Das alles sind keine Argumente, die EU abzuschreiben im Glauben, Deutschland, Frankreich und die übrigen Nationalstaaten könnten den Herausforderungen, denen sie sich nicht zuletzt durch Donald Trumps Politik gegenübersehen, alleine besser begegnen. Trump würde dann verstärkt das tun, was er jetzt schon versucht: die Europäer gegeneinander auszuspielen und „Deals“ mit denen zu machen, die ihm am weitesten entgegenkommen. Vor allem der EU ist es zu verdanken, dass die Europäer den USA bisher noch einigermaßen geschlossen entgegentreten. Die EU ist und bleibt ein einzigartiges Gebilde – das unter einzigartigen, so nicht mehr gegebenen Bedingungen entstanden ist. Denn dass diese Union sich zu einer Zivil- und Wirtschaftsmacht entwickeln konnte, in der sich in Frieden und Wohlstand leben lässt, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass Fragen der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik lange Zeit kaum eine Rolle spielten. Dafür waren die Nato und damit im Kern die USA zuständig. Die EU steht zugleich für Multilateralismus, eine auf Verträgen und Abkommen beruhende internationale Zusammenarbeit, und damit in völligem Widerspruch zum Denken und Handeln Donald Trumps. Der Stärke des Rechts, auf der die EU sowie internationale Organisationen beruhen, setzt Trump das Recht des Stärkeren entgegen. Man mag diese Politik für falsch, in ihren längerfristigen Auswirkungen gar für katastrophal halten. In Trumps Augen und in denen seiner Anhänger ist sie bisher äußerst erfolgreich; der Präsident „liefert“, was er als Kandidat versprochen hat. Auf diesen Paradigmenwechsel haben die Europäer keine wirklich überzeugende Antwort, außer mahnenden Worten bleibt ihnen nur, immer wieder das Gespräch zu suchen. Diese Schwäche angesichts eines Gegenübers, der auf knallharte Machtpolitik setzt, bekam die EU vor Trump bereits durch Wladimir Putin zu spüren, als der mit der Besetzung der Krim nicht nur das Völkerrecht, sondern auch ein Tabu brach, indem er in Europa bestehende Grenzen verletzte. Aber Russland ist nicht „der Westen“, ist nicht der engste Verbündete der Europäer, wie es die USA bisher waren. Wenn dieser Verbündete sich jetzt abwendet, geht Europa nicht nur wirtschaftlich äußerst ungemütlichen Zeiten entgegen.

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