Gesundheit Kinderkliniken durch Atemwegsinfekte am Limit
Überbelegte Patientenzimmer, tagelanger Aufenthalt in der Notaufnahme, Verlegung von kranken Babys in mehr als 100 Kilometer entfernte Krankenhäuser: Die aktuelle Welle von Atemwegsinfekten bringt Kinderkliniken in Deutschland an ihre Grenzen. Von einer „katastrophalen Lage“ auf den Kinder-Intensivstationen spricht die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi).
Auch das St. Annastiftskrankenhaus in Ludwigshafen ist voll belegt. Zum Teil müssten Kinder in Dreibettzimmern zusammenliegen oder in Nicht-Patientenzimmern untergebracht werden, beschreibt Pressesprecherin Katja Hein die Situation in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. „Täglich wird debattiert, wie viel Kapazitäten wir noch haben.“ Am Mittwoch sei ein kleiner Patient, der zuerst von Wiesbaden nach Mannheim verlegt worden war, ins Annastiftskrankenhaus gebracht worden. Wie viele andere Kliniken könne man Betten nicht nutzen – aus Personalmangel. „Das ist ein großes Problem, ohne Aussicht auf Besserung“, sagt Hein.
Betten wegen Personalmangels nicht belegt
Sämtliche Betten belegt – heißt es auch auf der pädiatrischen Normalstation wie auf der neonatologischen Intensivstation des Diakonissenkrankenhauses in Speyer. Vereinzelt seien bereits Ende September Kinder mit RSV-Erkrankungen gekommen, „seit Mitte November spüren wir eine starke Welle“, sagt Hans-Jürgen Gausepohl, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin. Betroffen seien vor allem Säuglinge und Kleinkinder bis zu zwei Jahren. Sie kämen mit Atemnot und bräuchten eine Sauerstofftherapie, die nur im Krankenhaus möglich sei.
Nicht anders sieht die Lage in der Kinderklinik des Westpfalz-Klinikums in Kaiserslautern aus. „Aktuell sind in unserer Kinderklinik rund 60 Betten – davon etwa zehn Intensivbetten – in Betrieb“, erklärte Pressesprecher Dennis Kolter. Die Kinderklinik komme immer wieder an ihre Belastungsgrenze, sodass man sich kurzzeitig von der Versorgung abmelden musste. Auch die Notaufnahme für Kinder und Jugendliche sei zurzeit ausgelastet. Erschwert werde das Ganze dadurch, dass Betten aufgrund von fehlendem Personal immer wieder nicht belegt werden könnten.
Dramatische Befunde der Notfallmediziner
In den kommenden Wochen sei mit weiter steigenden Zahlen zu rechnen, so stand es im RKI-Wochenbericht vergangener Woche. „Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können“, sagte der Leitende Oberarzt der Kinderintensivmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover, Michael Sasse. Die Lage sei ohnehin schon prekär. Doch die enorme Welle von Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) habe die Situation noch einmal verschlimmert.
Die Intensiv- und Notfallmediziner untermauerten ihre dramatischen Befunde mit einer Umfrage unter den 130 Kinderkliniken, die am bundesweiten Kleeblattkonzept zur Patientenverlegung teilnehmen. Dabei arbeiten jeweils bestimmte Bundesländer zusammen. 110 hätten auf die Anfrage vom 24. November geantwortet, sagte der Divi-Generalsekretär und Münchner Kinder-Intensivmediziner Florian Hoffmann. Theoretisch hätte es an diesem Tag in Deutschland insgesamt 607 Kinderintensivbetten gegeben. Tatsächlich seien es jedoch vor allem wegen Personalmangels rund 40 Prozent weniger gewesen. „Aus den 607 Betten wurden 367.“ Und ein Großteil dieser Betten wiederum war belegt. Laut Umfrage meldeten 47 Kliniken null verfügbare Betten, 44 Krankenhäuser nur noch ein freies Bett. Insgesamt gab es an dem Tag bundesweit 83 freie Betten.
Und um diese wenigen Betten wiederum konkurrierten kleine Patienten aus der Notaufnahme im eigenen Haus oder von den Rettungsdiensten. Hinzu kämen Anfragen von Kliniken mit einer geringeren Versorgungsstufe.