Politik Hongkong: Neue Chefin von Pekings Gnaden

Zweieinhalb Jahre nach den Demokratie-Protesten in Hongkong ist die pekingtreue Kandidatin Carrie Lam zur Regierungschefin gewählt worden. Sie ist die erste Frau an der Spitze von Hongkongs Verwaltung. Von der Bevölkerung kann sie keine Unterstützung erwarten.

Als Verwaltungschefin der südchinesischen Wirtschaftsmetropole hatte Carrie Lam noch vor Kurzem den Ruf, profundes Sachwissen zu haben und ihre Arbeit pflichtbewusst zu erfüllen. Seitdem Peking die 59-Jährige aber als Nachfolgerin des äußerst unbeliebten und nun scheidenden Regierungschefs Leung favorisiert, hat eine Mehrheit der Bevölkerung sie zum Hassobjekt erklärt. Hunderte Demokratie-Aktivisten protestierten gestern gegen ihre Wahl. In allen Umfragen lag sie zuletzt weit abgeschlagen hinter ihrem Rivalen John Tsang. Doch sie ist zur neuen Regierungschefin gewählt worden. Rund zwei Drittel der 1194 Mitglieder eines Wahlkomitees stimmten gestern für sie. Genau genommen handelte es sich nicht um eine Wahl – zumindest um keine freie. Nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ genießt die frühere britische Kronkolonie seit der Rückgabe an China 1997 zwar Sonderrechte wie Meinungsfreiheit. Zudem gibt es ein von den politischen Machthabern unabhängiges Rechtssystem. Doch nicht die rund sieben Millionen Hongkonger durften entscheiden, wie es ihnen einmal in Aussicht gestellt wurde, sondern nur das Wahlkomitee. Und 900 von ihnen sind direkt von Peking ernannte Delegierte oder pekingtreu. Die gebürtige Hongkongerin kommt aus armen Verhältnissen. Nach dem Besuch einer katholischen Mädchenschule studierte sie Sozialwissenschaften und trat gleich nach ihrem Abschluss in den Staatsdienst. Sie arbeitete viele Jahre in der Finanzverwaltung, später für den sozialen Wohnungsbau zuständig. Nach ihrer Wahl versprach Lam, die tiefen politischen Gräben in der Metropole schließen zu wollen. Doch viele bezweifeln, dass ihr das gelingen wird. Zuletzt erweckte Carrie Lam immer stärker den Eindruck, dass auch sie nur eine Handlangerin Pekings ist. „Sie weiß sich nicht für die Interessen der Hongkonger einzusetzen“, kritisiert Anson Chan, die früher selbst Verwaltungschefin der Wirtschaftsmetropole war. „Sie ist ein Alptraum für uns“, sagt auch Joshua Wong, der junge Aktivist, der 2014 Hongkongs größte Demokratieproteste angeführt hat.

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