Politik „Fortgesetzter Rechtsbruch“

Weil sich Bayerns Regierung selbst über höchstrichterliche Urteile hinwegsetzt, verlangt die Deutsche Umwelthilfe nun „einschneidendere Zwangsmaßnahmen“ zugunsten der Luftqualität in München. Am Montag trifft man sich vor Gericht.

Muss Ulrike Scharf, die bayerische Umweltministerin, jetzt in den Knast? Oder wird gar Ministerpräsident Horst Seehofer seine letzten Amtstage hinter Gittern zubringen? Nicht auszuschließen, wenn es nach der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geht. Im Streit um Diesel-Fahrverbote beschuldigt sie die bayerische Staatsregierung des „fortgesetzten Rechtsbruchs“ und hat deshalb die Anordnung eines Zwangsgelds von 25.000 Euro verlangt. Ersatzweise – wer nicht zahlen will, soll sitzen – fordert die DUH eine „Zwangshaft“ für Ministerin oder Ministerpräsidenten. Nun wird das Münchner Verwaltungsgericht über diesen Antrag befinden. Hintergrund ist, dass sich die CSU-Regierung bisher konsequent über Gerichtsurteile hinwegsetzt, sogar über Entscheidungen letzter Instanz. So verdonnerte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vor elf Monaten die Staatsregierung dazu, bis 31. Dezember 2017 „ein vollzugsfähiges Konzept“ für die Luftverbesserung in München vorzulegen, inklusive „Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Dieselmotor“. Die Richter sahen keine andere Möglichkeit, wie sich die Luftqualität in der (stellenweise) schmutzigsten Stadt der Republik mit der gesetzlich gebotenen Schnelligkeit verbessern sollte. Aus politischen Gründen aber lehnt Bayerns Regierung „pauschale Fahrverbote“ rundweg ab. Das gerichtlich verlangte Konzept dafür ist sie folgerichtig bis heute schuldig geblieben. Genauso unerledigt liegen gelassen hat sie den Auftrag der höchsten Verwaltungsrichter, für den künftigen Plan zur Luftreinhaltung – Fahrverbote eben eingeschlossen – das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung einzuleiten. Dafür hat die Regierung vergangenen Oktober das erste Zwangsgeld bezahlt: 4000 Euro. Weil weiter nichts geschieht, will die DUH nun die Daumenschrauben anziehen lassen; und was sie verwaltungsrechtlich nicht durchsetzen konnte, das will sie jetzt mit den „einschneidenderen Zwangsmaßnahmen“ der Zivilprozessordnung erreichen. In Justizkreisen scheint die DUH dafür sogar auf gewisse Sympathie gestoßen zu sein, denn auch Richter ärgerten sich zunehmend über von der Politik missachtete Urteile, heißt es. Die Laune des Gerichts nicht gerade heben wird der neue Luftreinhalteplan für München, den die Regierung von Oberbayern dieser Tage veröffentlicht hat. Denn streckenbezogene Diesel-Fahrverbote schließt dieser Plan komplett aus. Sie wären, schreibt die Verwaltungsbehörde, „nicht zielführend zur schnellstmöglichen Einhaltung“ der Schadstoffgrenzwerte. Sperre man belastete Straßen, würden sich die Verkehrsströme „massiv“ auf freie Trassen verlagern. Solche Maßnahmen wären in der Summe „weder zeitlich oder sachlich geeignet, noch verhältnismäßig, vor allem nicht kontrollierbar und damit nicht vollziehbar“. Hinzu käme „ein hoher Finanz-, Personal- und Beschilderungsaufwand“, abgesehen davon, dass gar nicht so viele Menschen wie nötig auf den Öffentlichen Nahverkehr umsteigen könnten: „Dieser stößt in München an seine Kapazitätsgrenzen.“ Dabei äußert sich die Regierung von Oberbayern als zuständige Verwaltungsbehörde durchaus zwiespältig. Einerseits sieht sie in den von Landes- und Bundesregierung beschlossenen „umfassenden Maßnahmenpaketen“, etwa zur Verjüngung von öffentlicher und privater Fahrzeugflotte, einen „deutlichen Ansatz zu einer Wende in der Verkehrspolitik“. Andererseits rechnet sie vor, dass all die Maßnahmen von heute – Software-Updates, Ersatz von 25 Prozent älterer Dieselautos durch neue – zumindest bis 2020 wirkungslos bleiben. An Münchens dreckigster Straße, der Landshuter Allee, ließen sich die Stickoxide im Jahresmittel höchstens um fünf Mikrogramm pro Kubikmeter Luft verringern. Das wäre ein Rückgang von 78 auf 73 Mikrogramm pro Kubikmeter. Der zulässige Wert liegt bei 40 Mikrogramm. Selbst die Verwaltung kommt zu dem Schluss: Da braucht es mehr – bei den 393.000 Dieselautos (ohne Lkw), die in der Stadt und dem Pendler-Landkreis München zugelassen sind, und auf den 123 von 511 Hauptstraßen-Kilometern Münchens, deren Stickoxid-Werte über dem Zulässigen liegen. Wobei gerade die letzten Angaben mit Sicherheit zu niedrig angesetzt sind. Wirklich gemessen wird in München nämlich nur an fünf Stellen. Die Werte für die übrigen 255 Straßen, die in der Belastungskarte auftauchen, wurden lediglich mathematisch errechnet: aufgrund der Angaben, welche die Fahrzeughersteller zum Abgasausstoß ihrer Autos machen. Und die liegen bekanntlich – auch das hält die Regierung von Oberbayern nun amtlich fest – massiv unter den tatsächlichen Werten.

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