Meinung Ein Papiertiger namens FDP

Verlangt zielgenaue Sozialpolitik : FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Verlangt zielgenaue Sozialpolitik : FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Die Forderungen der Liberalen mögen ihren Anhänger gefallen. Wenig davon dürfte aber in der Ampel durchzusetzen sein.

Heinz Erhardt, der große Humorist der Nachkriegszeit, machte die Worte „Noch’n Gedicht“ zu seinem Markenzeichen. Begeistert von der eigenen Dichtkunst und etwas unbeholfen verkündete er einen hintersinnigen Vers nach dem anderen. „Noch’n Papier“ lautet in diesen Tagen das Motto der FDP. Die Ampelpartei produziert derzeit Forderungen und Thesen, als müsste sie ihre Überzeugungen nur oft genug wiederholen, damit sie Wirklichkeit werden. Lustig ist das jedoch nicht.

Vor drei Wochen beschlossen die Liberalen „Zwölf Punkte zur Beschleunigung der Wirtschaftswende“. Nun folgten „Fünf Punkte für eine generationengerechte Haushaltspolitik“. Man entdeckt dabei wenig, was nicht schon führende FDP-Politiker öffentlich mehrfach verkündet haben. Etwa das Pochen auf die Einhaltung der Schuldenbremse oder die Notwendigkeit einer Reform des Bürgergeldes. Um es mit einem Spruch von Heinz Erhardt zu kommentieren: „Man macht gewöhnlich viele Worte, wenn man nichts zu sagen hat.“

Nach der Einigung folgt der Krach

Überraschend ist nur, dass die Liberalen auch Projekte bremsen wollen, denen sie bereits zugestimmt haben, wie etwa die Kindergrundsicherung und das Rentenpaket II. In beiden Fällen inszenierten sich die beteiligten Minister in der Öffentlichkeit quasi als Erfinder des Kompromisses und feierten die Tatsache, dass diese Regierung „handlungsfähig“ ist. Nach der Einigung folgte der Krach.

Nichts von dem Erreichten soll mehr gelten, weil die Beschlüsse nach Überzeugung der FDP die Wirtschaft behindern, zu viel Bürokratie produzieren oder im Falle der Rentenreform die Jüngeren benachteiligen. Das mögen gute Gründe für ein Nein sein. Tatsache aber ist: Das war alles schon vorher bekannt.

Rentenreform – zu groß für die Ampel

Vor allem einer hätte das wissen müssen: FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner. Er, der mit unverbrauchten Corona-Reserven die Schuldenbremse zu umgehen versuchte, sah selbst nach dem Nein des Bundesverfassungsgerichts nicht die Notwendigkeit, die von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil geplante teure Haltelinie beim Rentenniveau zu stoppen. Damals erhielt die FDP im Gegenzug das „Generationenkapital“, die Möglichkeit des Staates, sich am Kapitalmarkt zu engagieren, um die Erträge in die Rentenversicherung einzuspeisen. Gegen dieses von der FDP mitgetragene Kernelement des Rentenpakets opponiert jetzt – die FDP.

Eine grundsätzliche Änderung der Rentenpolitik mit einer Stabilisierung der Beitragssätze, einem Abschaffen der abschlagsfreien „Rente mit 63“ und der Option, das Rentenniveau von 48 Prozent abzusenken, ist ein Projekt, das mit der Aufstellung des Haushalts für das Jahr 2025 nichts zu tun hat, sondern es stellt ein eigenes, großes Regierungsprojekt dar. Dazu wird die Ampel in dieser Wahlperiode aber nicht mehr in der Lage sein.

Warum die FDP gerade zur Demontage der Ampel ansetzt, ergibt sich aus ihren desaströsen Umfragewerten. Ob sich Forderungskataloge in Wählerstimmen auszahlen, ist dabei bloßes Wunschdenken. Absichten allein reichen nicht, um die mittlerweile hochgeschraubten Erwartungen der FDP-Anhänger zu erfüllen. Daher wirkt die FDP in diesen Tagen wie ein Papiertiger, ein nur dem Schein nach sich einflussreich gebendes Wesen.

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