Neues aus der Redaktion Ein Anschlag auf die Regionalpresse

Ein Verlag verkauft kein Papier, sondern Inhalte.
Ein Verlag verkauft kein Papier, sondern Inhalte.

Wie ein Referentenentwurf die Zeitungen gefährdet

Liebe Leserinnen und Leser,
die Reform des Urheberrechts zieht sich seit Jahren hin, im vergangenen Jahr kam es dann zu einer Einigung in Brüssel. Der jetzt vorliegende Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, der die Umsetzung in Deutschland regeln soll, ist ein Anschlag auf die Regionalpresse. Worum es konkret geht: Die Ballade „Der Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe zählt knapp über 1000 Zeichen. Geht es nach dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zur Reform des Urheberrechtes, dürfen solche Texte demnächst als Bagatelle bezeichnet werden. Im Reformentwurf haben die Juristen folgenden Passus untergebracht: „Zulässig ist die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken und Teilen von Werken durch den Nutzer eines Diensteanbieters zu nicht kommerziellen Zwecken oder zur Erzielung nicht erheblicher Einnahmen.“ Die sich daran anschließende Definition von zulässigen Umfängen sieht eine Nutzung von bis zu 20 Sekunden eines Films, bis zu 20 Sekunden einer Tonspur, bis zu 250 Kilobyte einer Bilddatei und bis zu 1000 Zeichen eines Textes vor.

1000 Zeichen – das sind im Lokalen oft komplette Berichte über wichtige Entscheidungen oder Ereignisse, für die die Abonnenten unserer Zeitung oder digitalen Angebote ihre monatliche Abogebühr zahlen. Sollte der Referentenentwurf umgesetzt werden, dürfen diese Texte kopiert und auf den großen Plattformen wie Facebook kostenlos und legal publiziert werden. Den Zeitungen würde damit großer wirtschaftlicher Schaden entstehen, manche reden sogar davon, dass der Lokaljournalismus damit existenziell bedroht sein könnte.

Ein Anschlag auch auf die Demokratie

Die RHEINPFALZ geht seit Monaten dagegen vor, dass kopierte Zeitungsartikel ins Netz gestellt werden. Wir haben an dieser Stelle schon darüber berichtet. Schon heute ist dieses Kopieren ein Problem, da das Unrechtsbewusstsein vieler Nutzer, vom Bundespolitiker bis hin zum Vereinsvorsitzenden, oft wenig ausgeprägt ist. Eigentlich müssten die Plattformen dafür sorgen, dass kopierte Texte dort nicht einfach veröffentlicht werden dürfen, dies ist bisher aber ausgeblieben. Momentan ist dieses Teilen noch illegal und ein klarer Verstoß gegen das Urheberrecht, allerdings müssen die Verlage dies selbst verfolgen, was die RHEINPFALZ seit Monaten sehr konsequent und erfolgreich macht. Zahlreiche Politiker und andere Nutzer haben wir angeschrieben und sie auf ihre Verstöße aufmerksam gemacht. 99 Prozent haben anschließend die kopierten Artikel gelöscht.

Wenn Verlage in Zukunft diese Einflussmöglichkeit nicht mehr haben, dann stellt sich die Frage, wie Lokaljournalismus finanziert werden soll. Ein Verlag verkauft kein Papier, sondern Inhalte. Wenn die von jedem kopiert und veröffentlicht werden dürfen, dann ist das nicht nur ein Anschlag auf die Regionalpresse, sondern auch auf die Demokratie. Denn ohne eine finanzielle Grundlage ist keine freie Berichterstattung im Lokalen möglich.

Herzliche Grüße,

Ihr Uwe Renners

Stellvertretender Chefredakteur Digital der RHEINPFALZ

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