Politik Der Schwiegerpräsident

In der Regierung Donald Trumps ist er das Mädchen für alles: Jared Kushner, Schwiegersohn des Präsidenten und gleichzeitig sein wichtigster Ratgeber. Im Gegensatz zu Trump hat er seine Emotionen im Griff. Die große Show ist seine Sache nicht.

Er soll zwischen Israelis und Palästinensern vermitteln, das schwierige Verhältnis zu China und Mexiko regeln, den Beamtenapparat auf Effizienz trimmen, die medizinische Betreuung der Kriegsveteranen verbessern, die amerikanische Drogenepidemie bekämpfen und sich nebenbei eines noch zu schnürenden Milliardenpakets zur Modernisierung der maroden Infrastruktur annehmen. Welche Rolle der 36-jährige Jared Kushner spielt, hat das Magazin „New York“ bereits vor Wochen in schönster Zuspitzung deutlich gemacht. „President in-law“ war auf dem Titelblatt zu lesen, was sich wörtlich schlecht übersetzen lässt und bedeutet, dass der Schwiegersohn eine Art Kopräsident ist. Es seien arbeitsreiche Zeiten für Trump, witzelt Stephen Colbert, der mittlerweile populärste Fernsehsatiriker der USA: „Jeden Tag geht er zur Arbeit, krempelt die Ärmel hoch und verteilt neue Aufgaben – an Jared Kushner.“ Der flog neulich sogar nach Bagdad, um den Stabschef der Streitkräfte zu begleiten. Als die Regierung nach dem Angriff auf die Luftwaffenbasis in Syrien ein Foto freigab, das Trump im Nobelclub Mar-a-Lago in der Runde seines Küchenkabinetts zeigte, sah man Kushner sehr zentral am Beratungstisch, in höchst souveräner Pose. Botschafter haben ihn als eine Art Schattenaußenminister kennengelernt, und als Trump seinen Schwiegersohn zum Nahostvermittler ernannte, tat er es mit charakteristischem Hang zur Großsprecherei: „Wenn es dir nicht gelingt, Frieden zu stiften, dann wird es keinem gelingen.“ Nun ist es nicht so, dass sich das Weiße Haus damit von Grund auf neu erfinden würde. Wer dort residiert, bringt oft Ratgeber mit, auf deren Urteil er einerseits blind vertraut und die ihm andererseits treu ergeben sind, auch wenn sie sich in der Hierarchie weder Stabschef noch Chefstratege nennen. Bei Barack Obama war es Valerie Jarrett, die bestens vernetzte Familienfreundin aus Chicago. John F. Kennedy machte seinen Bruder Robert zum Justizminister, was ihm den Vorwurf der Vetternwirtschaft eintrug, aber nichts daran änderte, dass Robert die rechte Hand des Präsidenten war, vor allem in brenzligen Phasen wie der Kubakrise des Jahres 1962. Wenn nicht alles täuscht, ist Jared Kushner so etwas wie Trumps Valerie Jarrett, Trumps Robert Kennedy. Kushner habe seine Emotionen im Griff, während sein Schwiegervater zu Wutausbrüchen neige, berichten Insider. Trump brauche ihn als eine Art Beruhigungspille. Gern wird auch verbreitet, dass Kushner politisch mäßigend wirke. Das ist aus unabhängiger Quelle schlecht nachzuprüfen. Was Außenstehenden allerdings ins Auge fällt, sind die Kontraste. Trump liebt die große Show, Kushner ist zurückhaltend, ja medienscheu. Dabei gibt es eine Schlüsselerfahrung, die beide – jenseits familiärer Bande – verbindet. So wie der junge Trump einst nach Manhattan strebte, heraus aus dem damals eher spießigen Brooklyn, wo sein Vater langweilige Mietshäuser baute, zog es auch den jungen Kushner auf die Wolkenkratzerinsel mit ihrem Glanz. 2007 kaufte er einen Büroturm an der Fifth Avenue, er wollte es seinem Vater beweisen, einem Baulöwen, der sich ein Geschäftsleben lang auf New Jersey konzentriert hatte, den Staat vor den Toren New Yorks, über den die Elite Manhattans nur herablassend lächelt. Kushner senior hatte gerade eine Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung verbüßt, der Junior wollte einen Paukenschlag landen. 1,8 Milliarden Dollar zahlten sie für das Gebäude mit der Adresse 666 Fifth Avenue. Der Großteil des Geldes war geliehen, und zunächst sah es so aus, als hätten sie sich schwer verhoben. Kaum war das Geschäft abgeschlossen, platzte die Immobilienpreisblase. Um der Pleite zu entgehen, mussten die Kushners all ihre Mietshäuser verkaufen. Gespür für den Markt bewies Jared jedenfalls nicht, weshalb es Branchenprofis gibt, die heutige Lobeshymnen auf das Unternehmergenie mit dem Jungengesicht für grotesk übertrieben halten. Seit 2009 mit Ivanka Trump verheiratet, die für ihn zum jüdischen Glauben übertrat, war er bereits in Donald Trumps Wahlkampf der eigentliche Manager hinter den Kulissen. Kushner, Absolvent der Eliteuniversität Harvard, in New York an der exklusiven Park Avenue zu Hause, feilte mit am Profil eines Bewerbers, der den Rächer der Abgehängten gab. Als der Vorwurf laut wurde, der schrille Kandidat schüre nicht nur populistische Wut, sondern auch antisemitische Ressentiments, nahm Kushner Trump demonstrativ in Schutz. Er, der Enkel von Holocaust-Überlebenden, kenne einen ganz anderen, den wahren Donald Trump, schrieb er im „Observer“, einer New Yorker Wochenzeitung, die er Jahre zuvor erworben hatte. Stephen Colbert übrigens hat den „Schwiegerpräsidenten“ unlängst mit feinster Satire auf die Schippe genommen. Der Anlass: Trump setzte seinen Schwiegersohn an die Spitze eines neu geschaffenen „Amtes für Amerikanische Innovation“, Kushner kommentierte dies mit den üblichen Phrasen aus der Welt der Sanierer. Man wolle mit hoher Effizienz zu Ergebnissen kommen „für unsere Kunden, die unsere Bürger ja sind“. Darauf Colbert: „Moment mal, wir sind keine Kunden, wir sind Bürger, was bedeutet: Uns gehört der Laden. Du arbeitest für uns, Kumpel!“

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