Meinung Das NPD-Urteil ist kein Allheilmittel

Bedürfnis nach Protest: Eine Teilnehmerin eine Demonstration in Berlin hält ein Schild mit eindeutiger Botschaft hoch.
Bedürfnis nach Protest: Eine Teilnehmerin eine Demonstration in Berlin hält ein Schild mit eindeutiger Botschaft hoch.

Wer die Grundprinzipien der Demokratie untergräbt, soll kein Geld der Steuerzahler kassieren. Aber mit juristischen Maßnahmen löst man keine politischen Probleme.

Als das Bundesverfassungsgericht 2017 den Antrag auf ein Verbot der rechtsextremen NPD wegen deren Bedeutungslosigkeit zurückwies, gaben die Richter dem Gesetzgeber einen Wink: Unterhalb der Schwelle des Parteiverbots gäbe es Möglichkeiten der „gesonderten Sanktionierung“. Gemeint war der Ausschluss von der staatlichen Teilfinanzierung, wenn eine Partei erkennbar die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft. Doch die schwarz-rote Merkel-Regierung zierte sich, eine Neuregelung der Parteifinanzierung vorzulegen.

Es waren die Bundesländer, die eine Grundgesetzänderung anstießen. Der Initiator, der damalige Innenminister von Niedersachsen und heutige Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), sagte, es sei nachgerade eine „Pflicht“, extremistischen Parteien den Geldhahn abzudrehen. Nun ist dies zum ersten Mal geschehen.

Wie umgehen mit der AfD?

Das Urteil trifft eine Nachfolgepartei der NPD, die politisch unbedeutend ist und zuletzt – wegen geringer Anzahl an Wählerstimmen – gar kein staatliches Geld mehr erhielt. Das spielte bei der Urteilsfindung aber keine Rolle. Es reichte die Einstufung der Ziele der Partei als verfassungswidrig, unabhängig davon, ob die Partei ihre Ziele jemals erreichen kann. Die NPD gilt in dieser Hinsicht als irrelevant. Aber wie sieht es bei der deutlich mächtigeren AfD aus? Ist das Karlsruher Urteil eine „Blaupause“ für ein ähnliches Verfahren gegen die Rechtspopulisten, die im Bundestag, in einigen Landesparlamenten und in vielen Kommunalräten sitzen?

Wohlfeil hat dies Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gefordert und unterschlagen, wie aufwendig und juristisch heikel ein solches Verfahren wäre. Im Fall der NPD-Nachfolgepartei urteilte Karlsruhe gut vier Jahre nach Antragstellung. Schließlich ist die Prüfung des Gerichts in Sachen Parteifinanzierung nahezu dieselbe wie bei einem Parteiverbot. Es müsste nachgewiesen werden, dass die AfD als Partei planvoll eine Beseitigung der demokratischen Grundordnung vorbereitet. Aus dem AfD-Grundsatzprogramm geht das indes nicht hervor, wohl aber aus Äußerungen einzelner AfD-Politiker. Diese verstehen sich freilich auf die Kunst, ihre Worte im Nachhinein zu relativieren.

Gesinnung wird nicht aus der Welt geschafft

Unabhängig von einem möglichen Karlsruher Finanz-Urteil gegen die AfD, stellt sich die Frage, ob es sinnvoll und erfolgversprechend ist, mit juristischen Maßnahmen ein politisches Problem zu lösen. Die AfD hat ihre Umfragewerte seit Beginn der Ampelkoalition verdoppelt. Inzwischen gibt fast ein Viertel der Befragten an, die AfD wählen zu wollen. Ihre potenziellen Wähler sehen die AfD als Oppositionsstimme gegen eine in ihren Augen gescheiterte Bundesregierung. Eine Fesselung der AfD über den Entzug staatlicher Mittel wäre zwar ein Problem für die Partei. Es würde aber weder die Gesinnung der Wähler aus der Welt schaffen noch ihre Politiker aus den Parlamenten vertreiben, denn die dürften ihre Diäten weiter beziehen.

Vermutlich würde es eine Solidarisierungswelle geben und den Erfolg eines möglichen Urteils in das Gegenteil verkehren. Es geht also vor allem darum, dass Verfassungsfeinde von der Gesellschaft geächtet werden. Die Demonstrationen in diesen Tagen zeigen, wie groß das Bedürfnis danach ist.

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